Vor diesem Mann zittern die Versicherungen

RA DR. LINUS MÄHR aus Götzis gewinnt in zweiter Instanz die Klage für einen Hotelier 

Feldkirch, Anfang September: Das Landesgericht verurteilt eine österreichweit tätige Versicherung, einem Hotelier im Bregenzerwald die vereinbarte Versicherungssumme für die komplette Dauer der Betriebsunterbrechung wegen Corona zu bezahlen. Über seinen Rechtsanwalt Dr. Linus Mähr hatte der Hotelier geklagt, weil die Versicherung lediglich einen Teil der durch die Betriebsausfälle verursachten Kosten zu erstatten bereit war.

 

Die vom Hotel lange vor Corona über 100.000 Euro abgeschlossene Betriebsausfallversicherung umfasste auch eine Betriebsschließung für 30 Tage auf Basis des Epidemiegesetzes (Seuchengefahr). Tatsächlich bezahlte die Versicherung lediglich 40.000 Euro, mit dem Argument, dass nur die Versicherung der ersten 12 Tage (16.3.- 27.3.2020) auf Basis des Epidemiegesetzes erfolgt sei. Die Zahlung der übrigen 60.000 Euro verweigerte die Versicherung mit dem Hinweis darauf, dass die BH Bregenz mit Kundmachung vom 27. März die Betriebsschließungsverordnung aufgehoben habe. Danach habe der Landeshauptmann per Verordnung ein Betretungsverbot für Beherbergungsbetriebe ausgesprochen, das aber – so die Versicherung – nicht mit dem Betretungsverbot gemäß Covid-19-Maßnahmengesetz gleichzusetzen sei. Die Richterin des Erstgerichts fällte ein klares Urteil: Die Versicherung hat weitere 56.700 Euro zu bezahlen.

 

"Wenn der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen worden wäre, dass eine Betriebsschließung vom Versicherungsschutz nur dann erfasst ist, wenn diese auf Basis des Epidemiegesetzes erfolgt, hätte der Kläger den Deckungsbaustein ‚Betriebsschließung infolge Seuchengefahr aufgrund des Epidemiegesetzes‘ nicht  mitversichert."

 

Linus Mähr: 100 vergleichbare Fälle am Tisch Innsbruck, Anfang November

 

„Der Berufung wird keine Folge gegeben“ steht auf Seite 1 der Begründung des Oberlandesgerichts. Auf 27 Seiten zerpflücken die Richter den Antrag der Versicherung des Vorarlberger Hotels. Ebenfalls auf Seite 1 liest man: „Die ordentliche Revision ist zulässig.“ MMag. Dr. Linus Mähr, Anfang 30, betriebswirtschaftlich und juristisch bestens ausgebildet, ist entspannt – und gleichzeitig doch ein wenig gestresst. Sein Sieg in zweiter Instanz bestätigt seine offenbar überzeugende Argumentation. Der nächsten Stufe der Auseinandersetzung – beim OGH – sieht er gelassen entgegen: „Ich bin mir nicht sicher, ob die Versicherung dieses Risiko eingehen wird.“ Stress: Seit er Anfang September den ersten Prozess in Feldkirch gewann, bekommt er zu diesem Thema praktisch jeden Tag neue Mandate ins Haus: „Derzeit liegen rund 100 Fälle auf meinem Schreibtisch.“ Kollegial fügt er hinzu: „Ich teile mein Wissen in dieser Sache gerne mit anderen Anwälten.“ Die durch Rechtsanwalt Mährs Klage angestossene Prozesswelle schwappt mittlerweile quer durch Österreich.

 

Urteil und Berufung gegen Begriffsklaubereien

 

Sowohl der Schriftsatz des Feldkircher Urteils wie auch die Ausführungen des Berufungsgerichts wenden sich gegen Begriffsklaubereien: „In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass dann, wenn man nicht am strikten Wortlaut des COVID-19-Maßnahmengesetzes festhalte, sondern bei der Auslegung auch den erkennbaren Zweck der Bestimmung miteinfließen lasse, man einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer zubilligen müsse, dass er davon ausgehen könne, dass eine nachträgliche Gesetzesänderung bei einer faktisch durchgehenden behördlich bestimmten Betriebsunterbrechung bei ein und derselben Ausgangsgefahrenlage nicht zu einem nachträglichen Wegfall des bedingungs- gemäßen Versicherungsschutzes führen könne.“ Dass es auch nach diesem Berufungsurteil weiter spannend bleiben könnte verheißt die Schlusspassage des OLG Innsbruck: „Höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob ein behördliches Betretungs- verbot für ein Hotel nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz einer Betriebsschließung nach dem Epidemiegesetz 1950 gleichzusetzen ist…. fehlt.“