Opferschutz bei Gericht

Mag. Alexandra Schachermayer, LL.M.

FORTSCHRITT. Der Schutz von Opferinteressen im Rahmen des Strafverfahrens mit besonderem Augenmerk auf die Hauptverhandlung wurde in den letzten Jahren verbessert.

 

Die in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten erfolgte Stärkung der Position des Opfers im Verfahren, weg vom unbeteiligten Beobachter zum Verfahrensbeteiligten mit Aktivitätsrechten i.S. des § 10 StPO, hat – nicht zuletzt auch aufgrund europaweiter Vorgaben – zu Änderungen in der Gesetzgebung und auch damit einhergehender Sensibilisierung für die Interessen der Opfer geführt.

 

Jedes Opfer einer Straftat hat – unabhängig davon, ob zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren verfolgt werden – die in § 66 StPO konkretisierten Rechte, so das Recht auf Vertretung, Akteneinsicht, Information über den Gegenstand des Verfahrens, Übersetzungshilfe, sowie als stärkstes Aktivitätsrecht das Fragerecht im Rahmen der Hauptverhandlung. Unterstützt werden Opfer durch die Möglichkeit der (kostenfreien) Inanspruchnahme sowohl psychosozialer und auch juristischer Prozessbegleitung.

 

Darüber hinaus haben Opfer das Recht auf ehestmögliche Beurteilung ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit, die sich nach dem Alter, dem psychischen und physischen Zustand des Opfers sowie den Umständen der Tat richtet. Diesen besonders schutzbedürftigen Opfern billigt der Gesetzgeber erweiterte Rechte zu, insbesondere können diese Opfer verlangen, im Ermittlungsverfahren von einer Person ihres Geschlechts einvernommen zu werden, und die Beantwortung, einzelner unzumutbarer Fragen zu verweigern.

 

Neben den in § 66 StPO festgelegten generellen Opferrechten soll hier der Fokus auf den Schutz der Interessen der Opfer im Stadium der Hauptverhandlung gelegt werden. Denn, sollte im Ermittlungsverfahren keine kontradiktorische Einvernahme erfolgt sein, ist das als Zeuge in Frage kommende Opfer verpflichtet, bei Gericht zu erscheinen und eine Aussage zu machen.

 

Aussageverpflichtung

Diese Aussageverpflichtung steht der Idee der Abwendung einer sekundären Viktimisierung des Opfers durch das Verfahren oftmals diametral entgegen, ist zumeist das Interesse des Opfers dort gelegen, dem Täter nicht mehr gegenübertreten oder die Verletzungen coram publico im Gerichtssaal nochmals schildern zu müssen.

 

Die Strafprozessordnung hält hier ein durchaus brauchbares Spektrum an Instrumentarien bereit, die es ermöglichen, eben diese Interessen des Opfers zu wahren:

 

Zuallererst regelt § 229 Abs. 1 Z 2 und 3 StPO den (temporären) Ausschluss der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung auf Antrag eines Opfers, diese Möglichkeit wird explizit besonders schutzbedürftigen Opfern i.S. des § 66a StPO zugebilligt. Innerhalb gewisser Voraussetzungen ist der Vorsitzende darüber hinaus auch befugt, den Angeklagten für die Dauer der Einvernahme aus dem Saal abtreten zu lassen (§ 250 StPO), wobei für eine derartige Maßnahme auch der Schutz des Zeugen als Begründung ausreicht, sodass eine Begegnung und insbesondere eine Aussage des Opfers unter den Augen des Täters vermieden werden kann.

 

Schonende Vernehmung

Opfer, die Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt, in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt oder deren persönliche Abhängigkeit ausgenützt worden sein könnte, können überdies auf Antrag schonend vernommen werden. Im Gegensatz zur bloßen Entfernung des Angeklagten aus dem Verhandlungssaal ist bei einer schonenden Vernehmung eine räumliche Trennung des Opfers und die Durchführung der Vernehmung etwa mittels technischer Einrichtungen zur Übertragung von Bild und Ton in den Gerichtssaal vorgesehen. Bestimmte Kategorien von Opfern, wie etwa unmündige Opfer von Sexualdelikten, sind zwingend auf diese Weise zu vernehmen. Die solcherart durchgeführte Vernehmung kann entweder durch den Vorsitzenden oder gerade bei unmündigen Minderjährigen durch einen Sachverständigen erfolgen.

 

In allen diesen Fällen sind seitens des Gerichts Vorkehrungen zu treffen, damit sich Täter und Opfer nicht begegnen, was in der Praxis durch gestaffelte Ladung und Bereitstellung verschiedener Warteräume erfolgt.

 

Insgesamt bietet die Strafprozessordnung daher zweckmäßige Möglichkeiten, dem Wunsch und Interesse des Opfers auf eine möglichst wenig belastende Vernehmungssituation in der Hauptverhandlung und der Angst vor einer weiteren Täterbegegnung ausreichend Rechnung zu tragen.