Wie käuflich ist gute Nachrede?
POLITIK & MEDIEN. Österreich hat nicht nur einen vergleichsweise kleinen Medien-Markt, sondern auch einen von der Politik überdurchschnittlich abhängigen. Inserate, Medien- und Vertriebsförderungen machen Österreich nicht nur zum Subventionsweltmeister, sondern auch zu einer Informationslandschaft, in der bestenfalls ein kritisches Lüftchen, kaum aber Gegenwind zur Politik entsteht.
Irgendwann im Spätherbst der vorläufig letzten Regierung Kurz trafen die Medienberater des Kanzlers die Entscheidung, einen absoluten Anzeigenboykott gegen die VGN-Medienholding zu verhängen. Auslöser dieser Bestrafungsaktion waren mehrere kritische Beiträge zu „Türkis“, die im Nachrichtenmagazin „News“ erschienen waren.
Zum ersten Mal in der österreichischen Mediengeschichte wurde hier öffentlich ein Exempel statuiert. Die unverblümte Racheaktion richtete sich gegen den Verleger Horst Pirker, der – im Gegensatz
zu seinen
Kolleginnen und Kollegen – die Kurz-Regierung immer wieder öffentlich kritisiert hatte, speziell in Sachen Medienförderung.
Im Haus der VGN-Medienholding hat der Journalist Andreas Wetz (vormals „Kurier“, „Kleine Zeitung“, „Presse“, „Addendum“, „Servus TV“, aktuell „News“) nun ein Buch herausgebracht, das man ohne Übertreibung einen „kompakten Führer durch den Sumpf der österreichischen Medienpolitik“ nennen darf. Der Titel des faktenreichen Werkes: „Näher als erlaubt – Wie sich die Politik mit Steuergeld Medien kauft“.
Fakten statt Vermutungen
Da die österreichischen Medienunternehmer (Ausnahme Pirker) in Vergangenheit und Gegenwart verständlicherweise wenig Neigung zeigten und zeigen, die teilweise gigantischen Subventionszuflüsse seitens der Politik öffentlich zu machen bietet Andreas Wetz auf 180 Seiten Fakten und Zahlen, die auch Insider überraschen dürften.
Es dürfte etwa nicht zum Allgemeinwissen der österreichischen Bevölkerung zählen, dass die Politik kräftig in die (Steuer-)Tasche greift, um „besondere Förderung für ausgewählte Titel“ zu
gewähren. Da erhielten in den Jahren 2004 – 2020 beispielsweise „Die Presse“ 17.361.407 Euro und der „Der Standard“ 16.511.485 Euro. Hier, könnte man sagen, floss das Geld in Redaktionen, denen
eine kritische Haltung gegenüber der Politik zumindest nicht fremd ist. Dann aber enthält die Liste Medien, deren Bekanntheit und demokratische Mitwirkungskraft
nicht in der vordersten Reihe stehen. Wer außerhalb der jeweiligen Landesgrenzen kennt etwa das „Oberösterreichische Volksblatt“ (13.156.146 Euro), die „Neue Vorarlberger Tageszeitung“
(12.015.796 Euro), die „Kärntner Tageszeitung“ (9.901.938 Euro) oder die „Salzburger Volkszeitung“ (7.318.113 Euro)? Sie alle erhielten „besondere Presseförderung“.
Unter dem Titel „Vertriebsförderung“ überwies man diesen vier Blättern (in obiger Reihenfolge) zusätzlich 3.655.031 Euro, 2.924.024 Euro, 1.787.582 Euro und 1.787.582 Euro.
Trotz saftiger Subventionen wurden die sozialdemokratische „Kärntner Tageszeitung“ und die „Salzburger Volkszeitung“ eingestellt, während sich die beiden gut vom Fördertopf bedienten anderen Medien gut halten, auch ohne wesentliche Zahl von Leserinnen und Lesern. Ein weiteres Leckerli aus dem politischen Medienförderwesen: „Mit Abstand größter Empfänger von Subventionen aus der Vertriebsförderung ist die katholische Kirche…12,5 Millionen Euro wurden seit 2004 für die Kirchenzeitungen der österreichischen Diözesen bewilligt.“
Wer verteilt?
Ebenfalls nicht zum Allgemeinwissen zählt es, die Damen und Herren zu kennen, von denen die Fördermillionen vergeben werden. Buchtext: „Die Mitglieder der Presseförderungskommission werden vom
Fördergeber, dem Bundeskanzleramt, und Interessenvertretern der Fördernehmer entsandt. Gemeinsam wählen sie einen Vorsitzenden, der von außerhalb der Runde kommt. Gesandte der Regierung, des
Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und der Journalistengewerkschaft beurteilen also, wer für die Zahlungen aus dem Subventionstopf
überhaupt in Frage kommt.“
Neben diesen „Sockelbeträgen“ freuen sich die österreichischen Medien noch viel mehr über jene gigantischen Summen, die ihnen über Werbeaufträge zufließen.
Während die Verlage im zehn Mal größeren Deutschland im Jahr 2020 von der Regierung rund 23,7 Millionen Euro an Werbeaufträgen erhielten, freuten sich Österreichs Verlegerinnen und Verleger über rund 15,8 Millionen Euro. 2019 lautete das Verhältnis gar 18 Millionen (D) zu 15 Millionen (A).
Tarnen und Täuschen
Autor Andreas Wetz schildert, wie schwer es ist, Einblick in die verschwiegenen Geldflüsse von der Politik zu den Medien zu bekommen. „Transparenz“ ist – wie in der österreichischen Verwaltung – seit 200 Jahren ein Fremdwort. Gäbe es nicht Peter Salhofer, Professor an der FH Joanneum in Graz, wäre die Internet-Plattform „medien-transparenz.at“ wohl nie entstanden. Entgegen den Tarnern und Täuschern der Politik bietet Salhofer (unter Mitarbeit seiner Studentinnen und Studenten) einen substantiellen Einblick in jene Geldströme, mit der die Politik die österreichischen Medien beglückt – und sich entsprechende Freundlichkeiten erwartet.
Das enorm faktenreiche Buch gewährt konkrete Einblicke in die Praxis „wie sich die Politik mit Steuergeld Medien kauft“. Angelpunkt ist immer wieder das Finanzministerium. Kein Wunder, dass ebendort mit der sogenannten „Inseratenaffäre“ eine Entwicklung begann, an deren Ende der Sturz von Kurz & Co. stand. Das Buch „Näher als erlaubt“ ist der erste kompetente Leitfaden zur künftigen Vermeidung von „Inseraten-Korruption“. Möge es die richtigen Leserinnen und Leser finden, insbesondere bei ÖVP und SPÖ.
Andreas Wetz
Näher als erlaubt – Wie sich
die Politik mit Steuergeld
Medien kauft
Taschenbuch, 184 Seiten,
1. Edition,
ISBN 978-3200078772
Verlagsgruppe NEWS
Medienservice GmbH