Die Stimme der Frau in der Anwaltschaft

Advokaten 1938 und die Anwältinnen


Am 25. Mai 2022 fand die feierliche Präsentation der 2. Auflage des Buches Advokaten 1938 (Verlag Manz) im Festsaal des Justizpalastes statt. In diesem Buch werden 2200 Schicksale von Rechtsanwält: innen und Berufsanwärter:innen, die in der Zeit des Nationalsozialismus in Österreich von 1938-1945 verfolgt wurden, vielfach detailliert beschrieben, auch erstmals in englischer Sprache, womit sich der Berufsstand der Rechtsanwälte auch erstmals international verständlich zu den dunklen Jahren der Geschichte des eigenen Standes bekennt.

Das Buch offenbart auch die Geschichte der Frauen in der Anwaltschaft in Österreich und macht recht deutlich, dass sich gewisse gesellschaftliche Rahmenumstände und Hindernisse, die Frauen ganz generell im Beruf begleiten, nicht wesentlich anders gestaltet haben, als es heute noch der Fall ist. Manche dieser Frauen haben auch schon in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts deutlich bewiesen, dass der Anwaltsberuf
kein den Männern vorbehaltener Beruf ist, sondern Frauen wie Männer je nach persönlicher Qualifikation ausgezeichnete Vertreter:innen des Berufsstandes sind.

Anfang Mai 1919 war in einer Wiener Zeitung zu lesen, dass „wir also bald weibliche Richter und Advokaten haben werden“, nachdem im April 1919 endlich auch die rechts- und staatswissenschaftlichen Studien für Hörerinnen geöffnet worden waren. Marianne Beth war bekanntlich im Juni 1921 die erste Frau, die das Rechtsstudium als Dr.
utriusque juris abschloss. Ihr folgten Helene Mayer im März 1922 und Maria Hafferl, geb. Bernatzik im Mai 1922, deren Vater ganz eindeutig als schon damals moderner male ally für Frauen in der Anwaltschaft agitierte, da er als renommierter Staatsrechtler an der Universität Wien sich als Vorkämpfer für das Frauenstudium eingesetzt hatte. 1928 wurde Marianne Beth die erste Rechtsanwältin Österreichs (RAK Wien, NÖ u. Burgenland). Wie ein Artikel in der Zeitung Der Tag am 22. Juli 1928 euphorisch betonte, sei diese „mütterliche Frau mit den frischen Girlgesten“ aber „kein weiblicher Rechtsanwalt“, sondern „eine Rechtsanwältin“, und sie werde auch als Advokat „nie vergessen, dass sie Frau und Mutter ist. Das Neue, Erfreuliche an dieser Bereicherung der Wiener Advokatenliste
liegt eben darin, dass wiederum eine echte Frau und Mutter ihrem natürlichen Beruf zugeführt ist: zu schützen und zu verteidigen“.

Ähnlich euphorisch schrieben die Medien über die jüngste weibliche Konzipientin, Fräulein Dr. Susanne Granitsch, die als Verteidigerin im August 1928 bei einer Verhandlung am Straflandesgericht I debütierte: „Im Laufe der letzten 2 Jahre haben nur 2 Verteidigerinnen bei öffentlichen Verhandlungen fungiert, obgleich es schon eine Reihe
weiblicher Doktoren gäbe.“ (Die Stunde am 18. 8. 1928) und „Fräulein Dr. Susanne Granitsch habe weder Hornbrillen auf, noch sei sie mit ehrwürdigem grauen Haare gesegnet, weder rauche sie Zigarren, noch hülle sie sich in unmoderne Gewänder, sondern sie sei vielmehr jung und hübsch, mit einem Wort das bekannte Sportsgirl, eine preisgekrönte österreichische Fechterin, ausgezeichnete Schirennläuferin und trainierte Schwimmerin“. Und wie sprach Susanne Granitsch selbst über ihre Berufswahl: „Ich bin schon zum Verteidiger geboren worden, mein Großvater war Rechtsanwalt, mein Vater ist Jurist – nichts natürlicher, als dass ich denselben Beruf ergriffen habe. Das ist erbliche Veranlagung. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, dass ich etwas anderes sein sollte“ und sie fügte hinzu: „Ich verwahre mich dagegen, dass man in unserer Zeit noch immer den Unterschied zwischen Frau und Mann im Berufsleben gelten lassen will. Das gibt es doch nicht mehr! Freilich muss ich zugeben, als ich das 1. Mal vor Gericht erschien, wollte selbst der Vorsitzende es nicht glauben, dass ich in meiner Eigenschaft als Verteidigerin
gekommen sei. Ich musste mich sehr gründlich legitimieren, ehe ich meine Pflicht erfüllen durfte.“ (Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 27. 8. 1928, S. 9).

Selbst 60 Jahre später wollte mir ein neuer Mandant, den ich persönlich noch nicht kannte, nicht abnehmen, dass ich ihn als Rechtsanwältin begrüßte: Damals drückte er mir zum Termin Mantel, Hut und Schirm in die Hand und bat mich, den Herrn Dr. zu informieren, dass er da sei. Ich führte ihn damals in das Besprechungszimmer und kam selbst 2 Minuten später bei der Tür herein und präsentierte meine Visitenkarte. Das Erstaunen war groß, die Peinlichkeit ließ ich ihn nicht spüren. Er wurde über Jahre mein bester Mandant. Wer wissen möchte, wie man als Frau nicht nur an die Spitze kommt, sondern dort auch langfristig bleibt, kann dies im Rahmen der Dritten Internationalen Konferenz der Initiative Women in Law – Frauen im Recht www.womenlaw.info vom 15.–17. Sept. 2022 von unseren Expertinnen zum Thema REMAINING AT THE TOP erfahren.


Die Autorin:
Gründerin der Alix Frank Rechtsanwälte GmbH in Wien, spezialisiert auf M&A, Gesellschaftsrecht, Restrukturierungen, Europäisches Vertragsrecht etc. diverse Funktionen in der Standesvertretung national und international. Gründerin und Obfrau des Vereins „Women in Law“