ÖRAK-Präsident Dr. Armenak Utudjian im Gespräch mit Anwalt Aktuell über Tarifanpassung, Pauschalvergütung und die Zukunft der anwaltlichen Pensionsvorsorge.
Anwalt Aktuell: Sie gehen in den ersten Sommer als Präsident der österreichischen Anwaltschaft, wie ist Ihr bisheriges Resümee?
Armenak Utudjian: Ich meine, wir konnten in einigen wichtigen Bereichen erste Akzente setzen. Auch, weil ich eine hervorragend aufgestellte Organisation übernehmen durfte. Wichtig war meinem Präsidium und mir, weiterhin ein klares justizpolitisches Profil nach außen zu kommunizieren und die Rechtsanwaltschaft sowohl standes- als auch rechtspolitisch einig und stark zu positionieren. Ich denke, das ist uns gemeinsam gelungen.
Anwalt Aktuell: Ein sehr wichtiger Punkt war vermutlich die Tarifanpassung, die nach längerer Diskussion mit der Politik durchgesetzt werden konnte.
Armenak Utudjian: In der Tat war die Anpassung um 20 Prozent ein notwendiger und wichtiger Erfolg. Vor allem war es das aber für den Rechtsstaat und unsere Mandantinnen und Mandanten, also die Bürgerinnen und Bürger. Schließlich geht es um ihren Kostenersatz. Ist dieser unzureichend, kann auch ein gewonnener Prozess teuer werden. Ich bin froh, dass die Politik unsere Argumente letztlich gehört und verstanden hat. Erfreulich war aber auch, dass wir eine weitere Erhöhung der Pauschalvergütung für die Verfahrenshilfeleistungen der Kolleginnen und Kollegen auf nunmehr 23 Millionen Euro jährlich erreichen konnten.
Anwalt Aktuell: Wo sehen Sie die nächsten drängenden Aufgaben des ÖRAK?
Armenak Utudjian: Wichtig ist uns vor allem der Kostenersatz bei Freispruch und Einstellung im Strafverfahren. Es darf nicht ein Ermittlungsverfahren oder auch ein Hauptverfahren zur Strafe werden. Wer freigesprochen wird, muss angemessen entschädigt werden. Außerdem sind wir mitten in einem wichtigen Transformationsprozess unserer anwaltlichen Vorsorge. Gemeinsam mit externen Experten arbeiten wir seit geraumer Zeit sehr intensiv an einem Zusammenführungskonzept zur nachhaltigen Absicherung unserer Pensionsvorsorge.
Anwalt Aktuell: An diesem vom Staat unabhängigen Pensionsmodell der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gab es in unserer letzten Ausgabe auch Kritik. Wie stehen Sie dazu?
Armenak Utudjian: Kritik nehme ich natürlich ernst und habe das auch stets betont. Klar ist, dass es kein perfektes System geben wird. Das trifft sowohl auf ein vom Staat unabhängiges, als auch auf das staatliche System selbst zu. Unsere soziale Absicherung steht vor großen Herausforderungen. Es wird notwendig sein, demographische Entwicklungen abzufedern und Gerechtigkeit, Sicherheit und Stabilität langfristig sicherzustellen. Wir müssen die Veranlagung und die Kostenstruktur optimieren und, was ich als besonders wesentlich erachte, unsere Unabhängigkeit als Rechtsanwaltschaft stärken. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte müssen frei und unabhängig vom Staat sein, um ihre Arbeit im Interesse der Bürgerinnen und Bürger ausüben zu können, das gilt meines Erachtens ein Leben lang. Unsere Altersvorsorge sollte keine Bruchstelle in unserer Unabhängigkeit sein.
Anwalt Aktuell: Wie wollen Sie diesen Herausforderungen begegnen?
Armenak Utudjian: Unsere Aufgabe ist es, unser System bestmöglich aufzustellen und die Kollegenschaft breit zu informieren. Dafür ist bereits sehr viel Arbeit aufgewendet worden, über die man sich auf unserer Homepage ra-vorsorge.at informieren kann. Wir haben in den letzten Jahren in unseren Gremien zahlreiche und durchaus kontroversielle Diskussionen geführt. Das ist auch wichtig, weil wir am Ende des Tages eine solide Grundlage für eine Richtungsentscheidung benötigen. Und eines ist mir besonders wichtig zu betonen: Diese Entscheidung werden die Kolleginnen und Kollegen treffen.
Bis dahin wartet aber noch viel Arbeit auf uns, um ein Modell auszuarbeiten, das geeignet ist, die Herausforderungen bestmöglich zu bewältigen. Je weiter die Arbeiten voranschreiten, umso umfassender wird das Informationsangebot des ÖRAK und der Rechtsanwaltskammern sein. Ich sage auch ganz offen: Mir ist es lieber, wir haben die Gelegenheit manches wiederholt zu diskutieren und zu erklären, als ein großes institutionelles Schweigen. Wir müssen diesen Prozess gemeinsam mit der Ernsthaftigkeit und der Vernunft bearbeiten, die angebracht ist. Persönliche Befindlichkeiten und die eigene Lebenssituation sind bei Entscheidungsfindungen dieser strategischen Bedeutung hintanzustellen.