Die Stimme der Frau in der Anwaltschaft
Stiehlt AI gerade jungen Anwältinnen und BerufsanwärterInnen die Berufschancen?
Artificial Intelligence in aller Munde und spätestens seit ChatGPT auch in den Köpfen unserer Kolleginnen und Kollegen. Die einschlägigen Mitbewerber rund um Microsoft schlagen sich um die besten Entwicklungsvorsprünge. Europäische Studien, wie beispielsweise die Studie zu „Artificial Intelligence and Law Enforcement – Impact on Fundamental Rights“ vom Policy Department for Citizens’ Rights and Constitutional Affairs initiiert vom Europäischen Parlament beschäftigt sich vor allem mit „predictive policing“, Gesichtserkennung, der Einsatz von AI in der Strafjustiz sowie AI und Grenzen und die Auswirkungen auf die Grundrechte dieser Trends.
Der Einsatz von AI – so sagt eine Studie der Universität Melbourne https://pursuit.unimelb.edu. au/articles/ai-automation-and-women.amp – wird seine größten Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im Bereich der Produktion, der professionellen Beratung, in der Wissenschaft und in der Technik als auch im Bau haben. Also auch wir Anwält:innen werden unmittelbar von der Entwicklung und dem Einsatz von AI betroffen sein. Über den U.S.-Markt und AI schreibt Emma Martinho-Truswell, Chief Operating Officer of Oxford Insights bereits 2019 (https://hbr.org/ 2019/11/as-jobs-are-automated-will-men-andwomen-be-affected-equally), dass der Einsatz von AI unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer am Arbeitsmarkt haben wird. Mit einem hat sie aber sicher auch für den österreichischen Anwaltsmarkt recht, dass Frauen ganz allgemein und in unserem Fall Anwältinnen oder Berufsanwärterinnen sich um ihre AI- Kenntnisse dringend kümmern sollten, um für sich persönlich zumindest ungleiche Zukunftschancen auszuschließen. Wer die unterschiedlichen tools nicht kennt, kann nicht mit ihnen arbeiten, erkennt weder die Chancen, noch kann die Risiken entsprechend berücksichtigen. Wer aber sogar an der Entwicklung von derartigen tools mitarbeitet, wird sich seinen persönlichen Vorsprung am Arbeitsmarkt sichern und vielleicht sogar dazu beitragen können, dass die tools nicht biased sind, also Frauen und Männer auch in der Praxis gleichstellen. Und nicht zu Unrecht betont der Global Risks Report 2023 des World Economic Forums, dass gerade der Einsatz von neuen Technologien Ungleichheiten auf vielen Ebenen forcieren wird. Wer, wenn nicht wir Anwält:innen und Jurist:innen haben die Möglichkeit, sich genau jetzt mit unserer Zukunft und der unserer Mitarbeiter:innen und Kolleg:innen auseinanderzusetzen. Das fängt damit an, sich als Arbeitsrechtlerin im eigenen Unternehmen aber auch bei Kunden die HR tools für die Gewinnung von Mitarbeiter:innen anzusehen. Entsprechen diese den gesetzlichen Vorgaben in der EU und in Österreich? Machen diese tools in ihrer Auswertung gravierende Unterschiede zwischen den Geschlechtern und schließen vielleicht damit wertvolle Arbeitskraft für das Unternehmen aus oder torpedieren Anstrengungen um Diversität im Unternehmen? Und hört noch lange nicht bei Schulungsthemen für den Einsatz von AI auf, wobei gerade das Thema Kritikfähigkeit beim Einsatz von AI an oberster Spitze stehen muss.
Viele von uns haben sich schon und wenn auch nur testweise, mit ChatGPT, der ersten breit zugänglichen AI beschäftigt. Ist es nicht verführerisch die ersten Fragen erstaunlich umfassend in Sekunden beantwortet zu bekommen! Aber wie wichtig ist es zu erkennen, dass jede Frage die Lernkurve von AI in mindestens ebensolcher Geschwindigkeit massiv steigert. Die Frage am Ende ist aber, ob die Lernkurve dem Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse und in unserem Fall Gesetz und Rechtsprechung entspricht. Genau diese Kritikfähigkeit, die gerade die Maschine nicht mitbringen kann, wird uns langfristig die Maschine lenken lassen können, anstelle, dass wir von der Maschine getrieben werden.
Meine Meinung: AI wird uns Anwält:innen dann nicht die Berufschancen nehmen können, wenn wir sie mastern, sei es durch ständige Kontrolle und Kritik oder Mitarbeit bei der Programmierung. Und auch nur dann, wenn wir alle Sicherheitsthemen genauso ernst nehmen. Am 2. Juni 2023 hat das Ibero-American Personal Data Protection Network angekündigt, im Rahmen einer großangelegten Regierungsoffensive der Staaten von Nord-, Zentral- und Mittelamerika, inklusive Spanien und Portugal ChatGPT zum Thema Datenschutz zu untersuchen. Spätestens jetzt sollten wir uns um unsere Kundendaten und unsere berufliche Verschwiegenheit kümmern, die uns maßgeblich von allen Servicedienstleistern unterscheidet und damit einzigartig macht. Die in Wien vom 14. bis 16. September 2023 stattfindende 4. Internationale Konferenz www.womeninlaw.info wird sich gleich in drei ihrer Tracks (2,3 und 4) dem Thema AI aus unterschiedlichen Blickwinkeln annähern.