Hinter dem Schlagwort „New Work“ verbirgt sich die große Frage, welche neuen Arbeitsmodelle gerade Frauen in der Anwaltschaft unterstützen könnten, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.
Zuerst zu den Fakten: In Österreich sind nach aktuellen Zahlen rund 33% Frauen als Rechtsanwaltsanwärterinnen
und rund 19% als Rechtsanwältinnen in den Anwaltskanzleien tätig (www.rechtsanwaelte.at/kammer/kammer-in-zahlen/mitglieder/). Teilzeitarbeit ist im Fall von RechtsanwaltsanwärterInnen ganz
generell nicht möglich: Die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt ist nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche
Tätigkeit ausgeübt wird; anrechenbar sind insoweit auch Zeiten des gesetzlichen Urlaubs oder der Verhinderung wegen Krankheit, Unfalls oder eines Beschäftigungsverbots nach dem
Mutterschutzgesetz…… (§ 2 Absatz 1 Rechtsanwaltsordnung).
Teilzeit für Rechtsanwältinnen hat ihre Vor- und Nachteile. Eine Studie von McKinsey über Juristinnen tätig in Anwaltskanzleien zeigt auf, dass 75% der dazu befragten Frauen und Männer glauben,
dass Teilzeitarbeit ihre Karriere grundsätzlich negativ beeinflusst. 45% der befragten Frauen und 37% der befragten Männer meinen, dass Elternteilzeit negativ für die Karriere in der Kanzlei
ist.
Andererseits sind diese beiden Gruppen aber auch sicher, dass eine Priorisierung ihrer work-life balance den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Anwaltskanzlei gefährden könnte. (40
Brodherson/McGee/Pires dos Reis, Women in law firms, McKinsey&-Company (2017) Exhibit 4 and 5). Teilzeit mag also vielleicht Anwältinnen die Vereinbarung von Beruf mit Familie erleichtern,
führt aber in Österreich bei angestellten Anwältinnen jedenfalls nicht nur zu einem geringeren Einkommen, sondern vor allen Dingen auch zu einem geringeren Pensionsanspruch. Ganz abgesehen davon,
dass weniger Präsenz auch zu einem Verlust von wichtiger kanzleiinterner Information oder auch Karrierechancen führen kann, weil einfach weniger Netzwerkoptionen zur Verfügung stehen. Eine
Momentaufnahme der Stellenangebote auf www.karriere.at oder www.stepstone.at zeigt, dass zwischen 5,5 und 9% offene Stellenangebote Teilzeitpositionen in Rechtsberufen anbieten, der große Rest
sind Vollzeitpositionen. Aber es gibt Vorzeigekanzleien wie DORDA: Bei DORDA haben alle Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit um bis zu 50% zu reduzieren. Und zwar auf unbeschränkte
Dauer.
Zum Beispiel, weil sie neben ihrer Tätigkeit für DORDA als Vortragende an Universitäten tätig sein möchten. Oder gerne Berge besteigen. Oder sich die Kinderbetreuung mit dem Lebenspartner oder
der Lebenspartnerin teilen wollen. Entscheidender Punkt bei allen Teilzeitmodellen von DORDA: Die Karriere- und Aufstiegschancen bleiben intakt. Egal, auf welchem Karrierelevel und in welcher
Position das Modell in Anspruch genommen wird (https://www.dorda.at/women).
Wie realistisch ist home office in Anwaltskanzleien in Österreich? Home office zählt zu den sogenannten location-flexible Arbeitsformen, die das Arbeiten auch von jedem Ort aus gestatten, den die
MitarbeiterIn bestimmt. In Österreich regelt das AVRAG in der Zwischenzeit, dass home office dann vorliegt, wenn die MitarbeiterIn regelmäßig zu definierten Zeiten von zu Hause aus arbeitet.
Neben den klaren Vorteilen des home office, weniger
ungenützte Fahrtzeiten zum Arbeitsplatz, bessere work-life-balance und weniger Stress, gibt es aber gerade im engagierten Beruf einer Anwältin oder Rechtsanwaltsanwärterin den Druck von
Gerichtsfristen oder von andrängenden Klientenwünschen und so kann sich schnell die Grenze zwischen Home Office Arbeit und Privatleben stark verwischen. Die Deloitte Flexible Working Study 2020,
die auch Rechtsberufe neben vielen anderen Branchen miteinschließt, fasst zusammen, dass 55% der befragten MitarbeiterInnen davon ausgehen, dass Dienstgeber im Fall von home office auch
Bereitschaftsdienst zu Zeiten des Privatlebens einfordern und 69% glauben, dass ihre ChefInnen dabei eine virtuelle Anwesenheit für das Unternehmen einfordern. Fakt ist, es gibt noch viel zu tun,
wenn wir Frauen im Recht in Karrierephasen unterstützen wollen, die von einer besonderen privaten Herausforderung dominiert sind.
Dritte Internationalen Konferenz der Initiative Women in Law im September
Das Thema „New work – digitization, automation, AI, work-life-blending, collaboration, remote work, agility – Quo Vadis, (women* in the) legal professions?“ werden ExpertInnen aus Österreich mit
ihren internationalen KollegInnen vom 15. bis 17. September 2022 im Rahmen der Dritten Internationalen Konferenz der Initiative Women in Law – Frauen im Recht www.womeninlaw.info diskutieren und
ihre wertvollen Erfahrungen in einem Workshop teilen.