DICHTES PROGRAMM. Mit rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leistet die Bundeswettbewerbsbehörde derzeit ein Monsterprogramm. Gerade abgeschlossen wurde die Untersuchung der Spritpreisentwicklung, parallel dazu wird am Aktenberg rund ums Baukartell gearbeitet und im Herbst darf mit Spannung erwartet werden, welche Kartellverstöße in der Abfallwirtschaft gefunden wurden. Ein Gespräch mit Natalie Harsdorf-Borsch, der interimistischen Leiterin der BWB.
Nach dem überraschenden Rückzug des langjährigen Generaldirektors Dr. Theodor Thanner im vergangenen Herbst steht seit November dessen 37-jährige Stellvertreterin Dr. Natalie Harsdorf-Borsch an der Spitze der Bundeswettbewerbsbehörde. Mitte August präsentierte sie die Ergebnisse der Marktuntersuchung „Spritpreise“ von März bis Ende Juni des Jahres: Mit Ausnahme des März mit starken Preissprüngen nach oben konnten keine Beweise für Kartellabsprachen der Mineralölindustrie gefunden werden. Anders bei den Raffinerien.
Natalie Harsdorf-Borsch: Wir haben festgestellt, dass sich die Bruttomargen der Raffinerien im Untersuchungszeitraum verdreifacht haben. Von den Unternehmen wurde eingewendet, dass erhöhte Betriebskosten – Stichworte Strom und Gas – dafür verantwortlich waren. Wir haben uns dann genauer angeschaut, welche Bedeutung die gestiegenen Betriebskosten hatten. Als Ergebnis dieser Analyse können wir ausschließen, dass die erhöhten Betriebskosten in einem Verhältnis zu den stark gestiegenen Bruttomargen stehen. Tatsächlich haben die Betriebskostensteigerungen nur einen Cent in den Kostensteigerungen der Raffinerien ausgemacht, waren also von untergeordneter Bedeutung und keinesfalls Ursache der massiven Preissteigerungen.
ANWALT AKTUELL: Was tun Sie jetzt dagegen?
Natalie Harsdorf-Borsch: Beim hier angewandten Instrument der Marktuntersuchung haben wir nicht die Möglichkeit, zu Gericht zu gehen und zu sagen: Wir brauchen in diesem Markt
wettbewerbsbelebende Maßnahmen oder Auflagen. Zur Einleitung tiefergehender Untersuchungen inklusive Hausdurchsuchungen bräuchten wir einen Anfangsverdacht. Ein ungeschulter Beobachter mag hier
eine Kartellabsprache wittern, wir als Behörde brauchen handfeste Beweise.
ANWALT AKTUELL: Anderes Thema. Wie geht es mit den Untersuchungen rund um das Baukartell weiter?
Natalie Harsdorf-Borsch: Da waren wir in diesem Jahr bereits sehr erfolgreich. Für die Baugesellschaft Porr gab es das Rekord-Bußgeld von über 62 Millionen Euro, das Settlement
mit der Firma Swietelsky umfasst mehr als 27 Millionen Euro. Weitere Verfahren werden wir zu Gericht bringen, wobei wir Unternehmen nach dem Grad ihrer Beteiligung priorisieren. Da steht noch
einiges ins Haus.
ANWALT AKTUELL: Wie lange wird das dauern?
Natalie Harsdorf-Borsch: Da die BWB eine reine Anklagebehörde ist kommt nach dem Zeitraum, den wir benötigen noch die Dauer des Gerichtsverfahrens hinzu. Bei Gericht geht es
schneller, wenn wir Settlements vorlegen können und länger, wenn daraus Gerichtsverfahren werden. Unser Zeitplan sieht jedenfalls vor, dass wir 2022 und 2023 alle offenen Verfahren vor Gericht
bringen.
ANWALT AKTUELL: Haben Sie noch andere große Themen in Arbeit?
Natalie Harsdorf-Borsch: Aktuell beschäftigen wir uns sehr intensiv mit der Abfallwirtschaft. 2021 haben wir an über 20 Standorten Hausdurchsuchungen durchgeführt. Ich habe diesen Gesamteinsatz persönlich geleitet. Dieses Jahr gab es an weiteren Standorten Follow-up-Hausdurchsuchungen. Ich bin optimistisch, dass es uns gelingen wird, kartellrechtliche Verstöße in diesem sehr komplexen Markt nachzuweisen.
ANWALT AKTUELL: Das heißt, es kommt etwas Größeres?
Natalie Harsdorf-Borsch: Es haben sich einige Unternehmen zur Kooperation entschlossen. Das unterstützt unsere Untersuchungen natürlich sehr. Ich bin überzeugt, dass wir im
Herbst einen großen Schritt weiterkommen.