Diskussionen ja, aber nicht ewig

URTEILE / BUNDESSTAATSANWALTSCHAFT. Alles andere als fad ist aktuell das Rechtsleben in Österreich. Der „Fall Teichtmeister“ ruft wieder einmal die Strafverschärfer auf den Plan. Der Chorherr-Freispruch wird zum Orkan-Wind gegen die WKStA und in Sachen Bundesstaatsanwaltschaft geht es ähnlich spritzig zu wie bei einem Schildkrötentreffen. Man redet miteinander. Mehr Tempo würde aber nicht schaden.

Es ist gut zu wissen, dass wir in einem Land leben, das weder eine Boulevardpresse wie in England noch ein Parlament hat, das jedem populistischen Gejohle folgt – und im Handumdrehen irgendwelche Gesetze verschärft. Auch wenn der „Fall Teichtmeister“ und einige ähnliche, die folgten, nicht gerade ein Gefühl von Sicherheit verbreiten, ist es gescheiter, „die Kirche im Dorf“ zu lassen und Ursachenanalyse einer Django-Gesetzgebung vorzuziehen. Besonnene Geister (wie etwa die Justizministerin) verweisen auf die dringliche Notwendigkeit einer umfassenden Prävention, inklusive einer deutlichen Erhöhung der polizeilichen Fahndungsmöglichkeiten. Man möchte hinzufügen: Auch eine umfassende Stärkung des Gefahrenbewusstseins täte gut. So lange Arbeitgeber Wochen brauchen, beispielsweise hinter die Fassade eines Kindesmissbrauch-BilderKonsumenten zu blicken, ist noch „viel Luft nach oben“. Aber: Die Diskussion läuft.

 

Kostenersatz bei Freispruch

Speziell die Anwaltschaft hat in den letzten Jahren immer wieder auf die Mangelhaftigkeit des Kostenersatzes bei Freispruch hingewiesen. Die spektakulären Fälle H.C. Strache und Christoph Chorherr machen ein weiteres Mal bühnenwirksam deutlich, dass es hier grundlegend neue Regelungen braucht. Denn dass der ehemalige FPÖ-Chef ganz einfach kein Geld mehr hat, sich weiter gegen diverse Anklagen zu wehren, ist ein Warnsignal. So darf es nicht weitergehen. Und dass der ehemalige Wiener Grünpolitiker die Kosten seines spektakulären Verfahrens nur durch finanzielle Unterstützung seiner Mutter durchstehen konnte zeigt, wie renovierungsbedürftig die Lage für die Betroffenen ist. Absichtserklärungen genügen nicht. Wir brauchen zügige Diskussionen mit guten Lösungen.

WKStA-Schließung nach Freisprüchen?

Der Verein der Gegner der WKStA, kurz ÖVP genannt, dreht die Diskussion um die Freisprüche von Strache und Chorherr bewusst in eine falsche Richtung. Der Vorwurf einseitiger Ermittlungen wird auch nicht sinnvoller, wenn man seine Frequenz erhöht. Denn dass am Ende eines Strafverfahrens dieses oder jenes Urteil herauskommen kann, lässt sich nur mit schlechtestem Willen der Anklagebehörde anlasten. In der Konsequenz dieser Haltung müssten sämtliche Staatsanwälte zur Disposition gestellt werden, deren Anklage irgendwann durch den Freispruch eines Gerichts neutralisiert wurde. Die scheinbar sachlich daherkommende Kritik an der generellen Sinnhaftigkeit der WKStA ist seit einiger Zeit schon zu einer Art Tribunal geworden. „Es wird schon was hängen bleiben…“ Hier ist eine Versachlichung der Diskussion dringend geboten.

 

Bundesstaatsanwaltschaft muss unabhängig sein

Dass Diskussionen zwar lebendig verlaufen, jedoch auch unendlich lang dauern können, zeigt das Beispiel Bundesstaatsanwaltschaft. Proponenten des Anti-Korruptions-Volksbegehrens wie Walter Geyer, Oliver Scheiber, Michael Ikrath oder Martin Kreutner fordern (im „Standard“) die rasche Einrichtung einer solchen Behörde: „Ein wesentlicher Grund dafür, dass gerade die öffentlichkeitswirksamen Verfahren lange dauern, sind das Berichtswesen und die Qualitätssicherung. Wie ließe sich Letztere verbessern? Ein Vorbild könnte das Modell der neuen Europäischen Staatsanwaltschaft sein. Dort gibt es ein internes Prüfsystem durch Kammern aus drei Staatsanwältinnen und Staatsanwälten – das garantiert effiziente Qualitätskontrolle innerhalb der Behörde und gleichzeitig schnelle Verfahren.“

Das klingt doch gut. Warum also geht nichts weiter? Unser Justizsystem braucht nicht nur Diskussionen, sondern auch Entscheidungen. Selbst wenn diese vielleicht nicht ganz perfekt sind.

 

„Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen zu treffen, als beständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals geben wird.“ (Charles de Gaulle)