Paragraphen & Trillerpfeife

Fußball-Karrieren verlaufen selten nach Plan. Als sich der jugendliche Martin Wöll in Oberhofen/Inntal als Tormann zwischen die Pfosten stellte und gelobte, den Kasten sauber zu halten, war die Welt noch in Ordnung. Er wehrte ab, hechtete seine Paraden und kämpfte mit Begeisterung. Eines Tages schlug das Verletzungspech zu. Für seinen Verein in der niedrigsten Spielklasse war das nicht so toll, doch ein Nachfolger fand sich. Martin zog die Handschuhe aus und sagte dem Rasen „Pfiat God“.

Offenbar hatte der junge Mann Eindruck hinterlassen, denn viele Jahre später fragte ihn der Vereinsobmann, ob er nicht Schiedsrichter werden möchte. Es liege nämlich „Toto-Geld“ für die Ausbildung bereit. Dr. Martin Wöll, mittlerweile Rechtsanwalt in Innsbruck, erinnerte sich an die schöne Zeit im Tor – und sagte zu.

 

„Kraftausdrücke gab’s schon“

Auch bei „Wetten, dass“ würde Martin Wöll vermutlich eine gute Figur machen, und zwar mit dem Thema „Wo liegt dieser Rasen?“ Ab 2002 war er nämlich knapp 20 Jahre als Schiedsrichter unterwegs in der Bezirksliga: „Ich kenne in Tirol fast jeden Fußballplatz“. Seine Trillerpfeife ertönte aber auch in Vorarlberg und Salzburg. In der Regionalliga amtierte er als Linienrichter. Als Schiri habe er – wie auch als Anwalt – stets versucht, „fair und gerecht“ zu sein. Was von den Betroffenen nicht immer nachvollzogen wurde: „Es ist schon auch turbulent zugegangen. Körperlich wurde ich nie attackiert, Kraftausdrücke gab’s aber schon“. Seine Augen leuchten, wenn er sagt „Ich hab’s leidenschaftlich gemacht.“

 

Richter über die Schiedsrichter

„Fair und gerecht“ versuchte Martin Wöll nicht nur zu den Spielern am Feld zu sein, sondern auch zu seinen Kollegen mit der Trillerpfeife. In 15 Jahren als Disziplinarreferent des Tiroler FußballVerbandes hatte er es mit einem breiten Angebot von Verfehlungen zu tun. Beispiel: Schiedsrichter kommt zu spät zum Spiel und begründet dies mit dem Tod der Mutter. Die Nachforschung ergibt, dass es stimmt. Freispruch. Ein anderer Schiri, der ein Frauenspiel pfeift, folgt einer Fußballerin bis in die Garderobe…Verurteilung. Als schlimmstes Delikt nennt Dr. Wöll den Wettbetrug: „Das Wettsystem reicht bis in die kleinsten Ligen hinunter“.

Anfangs wurden „nur“ Zeitstrafen verhängt. Später ahndete man mit Geldstrafen, was der ehemalige Disziplinarreferent „nicht ideal“ findet.

 

Und dann noch der Anwaltsberuf

Irgendwann stellte sich Rechtsanwalt Wöll die Frage, wie er seine Rollen als Schiedsrichter, Disziplinarreferent, Mitglied der Blasmusik (Querflöte, Klarinette, Tenorsaxophon), als Vizebürgermeister von Oberhofen und als Kanzleipartner weiter unter einen Hut bringen sollte. Es muss schmerzlich gewesen sein, als er das runde Leder nach knapp 20 Jahren ins Aus rollen ließ, „denn die Schiedsrichtertätigkeit nimmt mindestens einen Tag pro Woche in Anspruch“.

 

In seiner Allgemeinkanzlei widmet sich der Anwalt einer bunten Palette des Rechts – vom Verkehrsunfall bis zu Verwaltungsthemen. Als guter Zuhörer sieht er im Familienrecht die große Chance, Konflikte eher einzudämmen als zu eskalieren. Dass auf der anderen Seite manchmal „Gas gegeben“ wird, versteht er zwar, findet er aber nicht unbedingt zielführend. Durch die Verbissenheit eines gegnerischen Kollegen zog sich sein längster Scheidungsfall über 11 Jahre. Dr. Martin Wöll hätte deutlich früher abgepfiffen. „Man muss nicht aus jeder Scheidung ein Hochamt machen!“