RECHTS-SPANNWEITE. Der aus dem Lungau gebürtige Anwalt Dr. Wolfgang Gappmayer betreibt seit 10 Jahren in Wien eine Kanzlei mit mehreren bemerkenswerten Schwerpunkten. Seine anwaltliche Tätigkeit wird ergänzt durch zivilrechtliches Engagement und interessante Fachpublikationen.
Interview: Dietmar Dworschak
ANWALT AKTUELL: Herr Dr. Gappmayer, Sie sind weit herumgekommen, sowohl geografisch wie auch in Ihrer schulischen, nebenberuflichen und juristischen Ausbildung. Was ist der Antrieb, woher kommt diese große Energie, die Sie immer wieder Neues entdecken und lernen hat lassen?
Wolfgang Gappmayer: Im Grunde, glaube ich, ist es die Suche nach dem Lebendigen und die Furcht vor dem Dunkel der Langeweile, schon seit Kindheitstagen. Diese kindliche Entdeckungslust habe ich mir bis heute erhalten. Es ist, da ich zwei kleine Kinder habe, wieder leichter, diese auszuleben.
ANWALT AKTUELL: Wohl nicht zufällig liest man auf Ihrer Website ein Zitat von Martin Luther „Ein Jurist, der nicht mehr ist denn ein Jurist, ist ein arm Ding!“ Welchen Mehrwert über das Juristische hinaus verschaffen Sie Ihren Klienten?
Wolfgang Gappmayer: Ich weiß gar nicht, ob dieser Spruch einen Mehrwert ausdrücken soll oder ob es nicht einfach ein Credo für mich selbst ist, im Hinterkopf zu haben, dass etwas, das rechtlich richtig ist, nicht unbedingt auch die menschlich oder wirtschaftlich richtige Entscheidung sein muss. Das Juristische ist sehr breit und vielfältig und schließt auch Gebiete wie die Rechtsphilosophie und die Rechtspsychologie ein. Das Einzige, was schade ist, dass man in der Regel auf das nationale Recht beschränkt ist.
ANWALT AKTUELL: Doch gerade da herrscht bei Ihnen kein Mangel. In Ihrer Diplomarbeit haben Sie sich mit einem Vergleich des chinesischen mit dem österreichischen Recht beschäftigt. Hat sich daraus einer Ihrer Kanzleischwerpunkte – Zollrecht und außenwirtschaftliche Beratung – entwickelt?
Wolfgang Gappmayer: Diese Zeit, auch in Shanghai, war für mich unglaublich spannend. Ich konnte in China eine große Zahl von Interviews mit Partnern von chinesischen und internationalen Großkanzleien führen. Der Konnex zum Zollrecht und der Außenwirtschaft hat sich erst später ergeben, als ich Konzipient in einer darauf spezialisierten Kanzlei war.
Diese beiden Rechtsgebiete sind hochinteressant. Deshalb bin ich dort auch mit meiner Kanzlei geblieben.
ANWALT AKTUELL: Man möchte meinen, dass die Globalisierung Vereinfachungen für den internationalen Warenverkehr gebracht hat. Weshalb ist Zollrecht dennoch ein wichtiges Thema?
Wolfgang Gappmayer: Tatsächlich hat die Globalisierung deutliche Erleichterungen im Zollrecht sowie gesellschaftspolitische und globalpolitische Vorteile gebracht. Man denke nur an die friedensstiftenden Elemente der Globalisierung. Bei allem Abbau der Handelsschranken darf man nicht vergessen, dass der grenzüberschreitende Handel mit Drittstaaten geradezu explodiert ist. Deshalb sind die zollrechtlichen Bestimmungen in der EU für viele nach wie vor von großer Bedeutung.
ANWALT AKTUELL: Während unsereiner ein schlichtes Gymnasium besuchte haben Sie in dieser Zeit bereits eine landwirtschaftliche Berufsschule absolviert. Ist daraus Ihr juristischer Beratungsschwerpunkt Agrarrecht und Umweltrecht entstanden?
Wolfgang Gappmayer: Mit dieser Ausbildung ist natürlich ein besonderer Zugang zu diesen Rechtsgebieten entstanden. Man gewinnt das Gespür dafür, was das rechtlich Verbriefte in der realen Anwendung bedeutet. Außerdem ist dort ein großer Bekanntenkreis entstanden, von dem ich nach wie vor zur rechtlichen Beratung zugezogen werde.
ANWALT AKTUELL: Einen ganz anderen Aspekt des Rechtslebens haben Sie in Ihrer Dissertation aufgegriffen: „Aktuelle Probleme zum Opferbegriff und der juristischen Prozessbegleitung im österreichischen Strafverfahrensrecht“. Sie waren auch im Präsidium des „Weißen Rings“. Wie sehen Sie aktuell die rechtliche Position des Opfers in Österreich?
Wolfgang Gappmayer: Ich beschäftige mich schon seit langer Zeit mit diesem Rechtsbereich, auch aufgrund der biografischen Erfahrung, dass mein Vater bei einem Amoklauf ums Leben gekommen ist. Wenn Sie fragen, wie bei uns die Opferrechte ausgestaltet sind, kann ich sagen, dass Österreich eine Vorreiternation ist. Der Opferschutz ist rechtlich sehr gut ausgestattet, allerdings mangelt es in der Umsetzung teilweise. Im justiziellen und polizeilichen Bereich wird es meiner Wahrnehmung nach immer besser.
ANWALT AKTUELL: Hat es auch mit einer Art Opfervertretung zu tun, dass Sie sich im Öffentlichen Recht besonders für Staatsbürgerschaftsangelegenheiten engagieren?
Wolfgang Gappmayer: Wenn Sie hier die Hürden zur Erreichung der österreichischen Staatsbürgerschaft meinen, dann habe ich damit wenig zu tun. Ich hatte und habe mit Menschen zu tun, die von den Nationalsozialisten vertrieben worden sind. Bei diesen Verfahren geht es nicht darum, die Staatsbürgerschaft zu erlangen, sondern im Rahmen eines Feststellungsverfahrens zu klären, dass sie die Staatsbürgerschaft bereits gehabt haben.
ANWALT AKTUELL: Gerade ist im MANZ-Verlag Ihr Buch „Hass, Amok, Terror und ihre Bekämpfung mit den Mitteln des Rechts“ (siehe auch Seite 30) erschienen. Gibt es effektive rechtliche Instrumente oder bleibt dem Staat nur eine reaktive Rolle in Sachen Terror?
Wolfgang Gappmayer: Ich glaube schon, dass es für den Staat eine aktive Rolle gibt. Gerade wenn man sich aktuell die Organisationsdelikte mit terroristischem Hintergrund anschaut ist die Strafbarkeit sehr weit vorgelagert. Die Polizei hat relativ früh die Möglichkeit, Menschen und Gruppierungen zu beobachten. Der Staat hat die Möglichkeit, schon in der Vorbereitungsphase aktiv einzusteigen. Ich denke, dass es woanders hapert. Nämlich bei der Vermittlung von Werten und Überzeugungen im zwischenmenschlichen Bereich. Hier müsste mehr getan werden.
ANWALT AKTUELL: Vor 10 Jahren haben Sie Ihre eigene Anwaltskanzlei eröffnet. Sind Sie mit Ihrem Beruf zufrieden? Was kann man als Anwalt bewegen?
Wolfgang Gappmayer: Ich muss bekennen, dass ich kurz nach dem Studium mit dem Anwaltsberuf nicht richtig warm wurde. Ich bin mittlerweile mit diesem Beruf rundherum zufrieden, weil er unglaublich viele Möglichkeiten und Freiheiten bietet. Als Anwalt kann ich auf jeden Fall sehr viel bewirken.
ANWALT AKTUELL: Sind Sie auch mit den rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen zufrieden?
Wolfgang Gappmayer: Mit dem österreichischen Rechtsstaat bin ich grundsätzlich sehr zufrieden. Ich hadere aktuell ein wenig mit Befugnissen der Europäischen Staatsanwaltschaft, die europaweit Zolldelikte finanzrechtlich aufarbeitet. Da wäre es wichtig, besonderes Augenmerk auf den Grundrechtsschutz zu legen, wenn sich Unionsbürgerinnen und -bürger in einem fremden Mitgliedsstaat strafrechtlich verantworten müssen und sich das Strafverfahren möglicherweise noch dazu auf Ermittlungsergebnisse wieder eines anderen Mitgliedsstaates stützt. Aufgrund von Beschwerden gegen Hausdurchsuchungen, die ich unlängst eingebracht habe, läuft derzeit ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zu dieser Frage.
Herr Dr. Gappmayer, danke für das Gespräch.