Die Stimme der Frau in der Anwaltschaft
Die Rechtsanwaltskanzlei - wie wird sie zum inklusiven Arbeitsplatz?
Die Kanzleikultur beeinflusst, wie sich ein neuer Klient beim ersten Besuch der Kanzlei fühlt, wie Praktikant:innen in der kurzen Zeit ihres Praktikums den Berufsalltag und damit ihre mögliche berufliche Perspektive erleben, wie das Team von Partner:innen zusammenarbeitet, wie jede und jeder in der Kanzlei den Arbeitsalltag erlebt. Gute Kanzleikultur fördert Teamzusammenhalt, kann Krankenstand und Fluktuation zurückdrängen und erstaunlicherweise gerade Klienten langfristig an die Kanzlei binden.
Inklusive Kanzleikultur kann all das noch toppen. Die Mansfield Rule, benannt nach der ersten Anwältin Arabella Mansfield in den USA (1869 zugelassen zum Iowa Bar), https://www.diversitylab.com/mansfield-rule-4-0/ misst seit 2016, ob Anwaltskanzleien 30 Prozent ihrer fachlichen Führungsebenen mit Frauen, Anwält:innen unterschiedlicher Hautfarbe, aus der LGTBQ+ Community bzw. mit Behinderungen besetzen. Ziel der Mansfield Rule ist daher, eine starke Präsenz von Diversität zunächst auf Partnerebene und im Ergebnis im gesamten Mitarbeiterstab einer Rechtsanwaltskanzlei herbeizuführen. Warum 30 Prozent? Verhaltenswissenschaftliche Forschungen haben deutlich gezeigt, dass sich „verkrustete“ Verhaltensweisen“ erst bei Erreichen von 30 Prozent Diversität im Unternehmen und da vor allem die für das Erreichen einer guten Unternehmenskultur unterschätzten, bewussten und unbewussten Vorurteile „aufbrechen“ lassen. Wir wissen aus Erfahrung, dass sich nachhaltige Veränderungen erst bei Überzeugung einer kritischen Masse an Meinungen herbeiführen lassen. Aber wie geht das? – Die folgenden neun Schritte http://fidessearch.com/wp-content/uploads/2018/05/How-to-make-your-law-firm-more-inclusive-aten-step-guide-WEB-VERSION.pdf) auf dem Weg zur inklusiven Kultur in Anwaltskanzleien machen deutlich, dass eine inklusive Kultur die Anwaltskanzlei zu einem überzeugenden Player im kompetitiven Umfeld macht.
Schritt 1: Inklusion bedeutet für Mitarbeiter einer Anwaltskanzlei Unterschiedliches. Erst wenn die Partner:innen eine übereinstimmende Definition der Inklusion für ihre Anwaltskanzlei gefunden haben, sind alle Mitarbeiter in die Verfeinerung dieser Definition einzubinden, denn Inklusion ist gleichzeitig Chefsache, muss vorgelebt, aber auch von den Mitarbeiter:innen verstanden und gelebt werden.
Schritt 2: Jetzt gilt es für Partner:innen aus der Komfortzone herauszutreten und sich mit Kolleg:innen innerhalb und außerhalb der eigenen Anwaltskanzlei zu bewussten und unbewussten Vorurteilen und solchen Verhaltensweisen auszutauschen und Mitarbeiter:innen klar zu kommunizieren, welche Verhaltensweisen im Lichte einer inklusiven Kultur inakzeptabel sind und selbst ein Vorbild sein.
Schritt 3: Als Partner:innen den Mut haben, sich mit positiven wie negativen Ergebnissen der ersten beiden Schritte intensiv zu befassen und die Lehren für die eigene Anwaltskanzlei daraus zu ziehen.
Schritt 4: Überlegungen zu einer Kommunikation der inklusiven Kultur nach innen und nach außen fassen und alle Mitarbeiter:innen in diese Überlegungen einbinden.
Schritt 5: Partner:innen müssen jetzt erst recht role model sein und bleiben, dabei aber einer Anpassung bzw. Veränderung der inklusiven Kanzleikultur nicht im Wege stehen. Es gilt also den Mitarbeiter:innen bewusst zuzuhören.
Schritt 6: Erkennen, dass Policies, also Richtlinien und deren Befolgung allein noch lange keine inklusive Kultur machen, sondern durch regelmäßige Mitarbeiter:innen jour fix und persönliche Gespräche im kleinen Rahmen und vor allem auf Augenhöhe die erfolgreiche Umsetzung einer inklusiven Kultur stützen.
Schritt 7: Niemals vergessen, dass die Einhaltung jeder Richtlinie auch messbar sein und bleiben muss, um eine erfolgreiche inklusive Kultur sicherzustellen. Anonyme Mitarbeiterbefragungen und auch eine eingerichtete Beschwerdebox, die durchaus auch anonym befüllt werden darf, kann dabei hilfreich sein. Nichts aber ersetzt ein gezieltes persönliches Gespräch.
Schritt 8: Mitarbeiter:innen verstehen lernen und das gerade im Hinblick auf die unterschiedlichen Herausforderungen, die diese im Laufe einer Zugehörigkeit zur Kanzlei von außen her unterworfen sind: Studentische Mitarbeiter:innen haben andere Herausforderungen zu bewältigen als die Kollegin, die sich für Familie und Beruf entscheidet. Diese Umstände müssen in eine inklusive Kultur miteinfließen.
Schritt 9: ….und immer über den Tellerrand der eigenen Anwaltskanzlei schauen und auch von anderen Rechtsberufen in anderen Jurisdiktionen lernen.
Die The Initiative Women in Law – Frauen im Recht www.womeninlaw.info beschäftigt sich im Wege eines internationalen Austausches in Track 3 Anti-Discrimination – Gender Equality 2.0 in ihrer 4. Internationalen Konferenz vom 14. bis 16. September 2023 in Wien auch mit dem Thema der inklusiven Anwaltskanzlei.