Streiten, lehren, malen, leben


AN DER SPITZE. Seit 1. Februar dieses Jahres ist Irene Welser Senior Partnerin der Kanzlei Cerha Hempel. Bei ihrem Eintritt war sie eine von insgesamt 12 JuristInnen. Heute arbeiten hier 120. Als wesentliche Antriebskraft für 30 Jahre Karriere und das vielfältige Leben daneben nennt sie: Begeisterung.

Es gibt verschiedene Arten von Kanzleieinrichtungen. Im schlimmsten Fall trifft man die Anwältin, den Anwalt im
Zweckdesign von Swoboda oder Neudörfler. Inklusive Gummibaum. Bei Irene Welser sieht man sofort: Hier wird gearbeitet und gelebt. Wohnliche Eleganz, dezent abgestimmte Farben, gute Bilder.

Wenn die Spitzenjuristin von der Lockdown-Zeit spricht, dann vor allem vom Fehlen des Kanzlei- Umfeldes, der Kolleginnen und Kollegen. Erster starker Eindruck: eine Teamspielerin. Digital ist gut, persönliche Kommunikation ist besser.

 

Einstieg mit Schwung

Die frischgebackene Seniorpartnerin von Cerha Hempel wollte ursprünglich eigentlich Diplomatin werden, begeisterte sich bald aber so stark für die Rechtswissenschaften, dass sie ihr Diplomstudium in sieben Semestern abschloss und nach ihrer Rechtsanwaltsprüfung durch den Prüfer (damals Seniorpartner der heutigen Kanzlei)
„vom Fleck weg“ engagiert wurde. Zu dieser Zeit waren Anwältinnen noch Mangelware, speziell im Alter von 28:

„Als ich im Jahr 1992, frisch eingetragen, zu einer mündlichen Berufungsverhandlung vor dem OLG Wien erschien, begrüßte mich mein Verhandlungsgegner mit den Worten ‚Na, Frau Kollegin, hat man Sie geschickt?‘ Ich fand das nicht nett und antwortete: ‚Nein, ich bin gekommen.‘“

 

„A very straightforward person“

Ob dem damaligen Prozessgegner irgendwann das Magazin „The legal 500“ in die Hände fiel, ist nicht überliefert. Dort jedenfalls war zu lesen, Irene Welser sei eine „very straightforward person“. Die hier angesprochene Dynamik führte dazu, dass die umtriebige Juristin 2003 zur jüngsten Honorarprofessorin an der Juridischen Fakultät in
Wien und 2004 bei Cerha Hempel zum „Head of Litigation and Arbitration“ berufen wurde.

Streiten Sie gern, Frau Dr. Welser? „Ja!“ sagt sie und meint lachend: „Sonst dürfte ich diese Position nicht bekleiden.“ Apropos „straightforward“: Aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Erfolge in streitigen Causen war Irene Welser 5 Jahre lang die erste Frau als Vorsitzende und Schiedsrichterin bei VIAC, dem Internationalen Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Österreich.

Mit welcher Energie und welchem Vergnügen sie einen Fall vorantreibt erfährt man beispielhaft an der Auseinandersetzung SPAR gegen DM. Da flatterte dem früheren SPAR-Chef Drexel eines Tages ein DM-Brief ins Haus, der ihm mitteilte, im Aufsichtsrat der Drogeriekette nicht mehr willkommen zu sein. Nach Jahren der friedlichen Zusammenarbeit war das ein überraschender Affront, gegen den Irene Welser und ihr Team juristisch zu Felde zogen. Vorläufiges Ende der Auseinandersetzung: Vor dem OGH wurden fünf der sechs Verfahren für SPAR gewonnen. Da leuchten die Augen der begeisterten juristischen Kämpferin.

Und privat?

Der bisher geschilderte Aktivitätenkatalog ließe auf ein nicht allzu stark entwickeltes Privatleben schließen. Weit gefehlt. Irene Welser ist Mutter einer Tochter, die den Eltern auf dem Pfad der Juristerei nachfolgt. Teresa tritt gerade in eine große Konkurrenzkanzlei von Cerha Hempel in Wien ein. Ehemann Rudolf Welser, Legende der österreichischen Rechtswissenschaften, fährt jeden Morgen mit seiner Frau in die City, wo sie in die Kanzlei strebt und er in seinem Europarecht-Institut arbeitet. Abends sind die beiden gerne und oft gesellschaftlich unterwegs.

Und dann bleibt offenbar immer noch Zeit für die Kunst des Malens. Der Impressionismus hat es Irene Welser angetan, und den trifft sie stilistisch ganz gut.

Zum Beispiel, wenn sie Eindrücke ihrer Reisen auf die Leinwand bringt. Bei je einem Urlaub pro Jahr auf Ischia und in Rom kommen da einige Motive zusammen.

Mit dieser frisch gewonnenen Kraft kehrt sie dann an ihren Arbeitsplatz zurück. Immer noch begeistert, nach 30 Jahren: „Man muss die Kanzlei liebhaben.“

Aus Irene Welsers Malatelier