ÖRAK-Präsident Dr. Armenak Utudjian im Gespräch mit Anwalt Aktuell über die ersten Monate seiner Amtszeit, bisherige Erfolge und die Forderung nach einem fairen Kostenersatz bei Freispruch.
Anwalt Aktuell: Sie sind nun seit etwas mehr als einem halben Jahr der oberste Vertreter der österreichischen Rechtsanwaltschaft. Wie lautet Ihr Fazit der ersten Monate im Amt?
Armenak Utudjian: Es ist mir seit dem ersten Tag eine große Ehre und eine ebenso große Freude, mich für die berechtigten Interessen der Rechtsanwaltschaft einzusetzen. Dieser Einsatz ist auch notwendig, denn es braucht oft einiges an Beharrlichkeit um Gehör zu finden und sich gegenüber der Politik zu behaupten. Das funktioniert auch nur im Team und mit vereinten Kräften. Die jüngsten Beispiele für unseren erfolgreichen Einsatz waren die Erhöhung der Pauschalvergütung für Verfahrenshilfeleistungen der Kolleginnen und Kollegen von 21 auf 23 Millionen Euro jährlich und zuletzt die bevorstehende Tarifanpassung.
Anwalt Aktuell: Können Sie uns dazu Details verraten?
Armenak Utudjian: Innerhalb der Bundesregierung liegt nun eine Einigung in Form eines Verordnungsentwurfes vor, der noch dem Hauptausschuss des Nationalrats vorgelegt werden muss. Diese sogenannte Zuschlagsverordnung sieht eine Tarifanpassung in Höhe von 20 Prozent vor, die mit 1. Mai 2023 in Kraft treten soll. Das ist ein erfreuliches Ergebnis und ich möchte mich bei allen bedanken, die es mit ihrem vehementen Einsatz möglich gemacht haben. Mein persönliches Ziel ist allerdings, dass Inflationsanpassungen künftig automatisch erfolgen.
Anwalt Aktuell: Mit welchen Argumenten wollen Sie die Politik davon überzeugen?
Armenak Utudjian: Die Rechtsanwaltschaft nimmt aus gutem Grund eine unabhängige Stellung im rechtsstaatlichen Gefüge ein. Da passt es schlichtweg nicht, dass wir immer wieder bei den Entscheidungsträgern vorstellig werden und jahrelang auf Tarifanpassungen warten müssen. Wir brauchen einen Automatismus, der inflationsangepasste Tarife sicherstellt. Ich möchte auch betonen, dass es dabei nicht nur um die wirtschaftliche Unabhängigkeit unseres Berufsstandes geht. In erster Linie geht es um einen fairen Kostenersatz, der nicht ständig hinter der Inflation herhinkt. Das ist ganz wesentlich, denn der Rechtsstaat ist nur so stark, wie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihn.
Anwalt Aktuell: Apropos Kostenersatz: Ein politisches Dauerthema ist der Kostenersatz bei Freisprüchen. Wie sieht hier Ihr Lösungsansatz aus?
Armenak Utudjian: Es ist in einer Vielzahl von Ländern üblich, dass Beschuldigte nach Verfahrenseinstellungen oder Freisprüchen einen Anspruch auf Ersatz ihrer Verteidigungskosten haben. Ich halte es schlichtweg für ungerecht, wenn Menschen am Ende eines Strafverfahrens, aus dem sie unbescholten hervorgehen, finanziell ruiniert sind. Leider ist das in Österreich sehr häufig der Fall. Die Kostenersatzregelung in der Strafprozessordnung muss daher dringend reformiert werden. Wir fordern die Einführung eines angemessenen Kostenersatzes bei Freisprüchen und Einstellungen, wozu sich auch die Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm selbst verpflichtet hat.
Anwalt Aktuell: Ein Gegenargument lautet, dass dadurch einmal mehr der Steuerzahler belastet wird.
Armenak Utudjian: Unser Konzept sieht einen angemessenen Kostenersatz vor, der vom Gericht auf Basis der Allgemeinen Honorar-Kriterien festgesetzt wird, wobei es natürlich auch ein Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung geben muss. Das sind Ausgaben, die sich ein Rechtsstaat schlicht und ergreifend zu leisten hat. Wenn wir uns ansehen, wie viele Milliarden an Steuergeldern der Staat in den letzten Jahren größtenteils mit der Gießkanne ausgegeben hat, ist das mit Sicherheit nicht zu viel verlangt. Denn: Ein rechtsstaatliches Verfahren darf niemals zur Strafe für die Betroffenen werden, unabhängig davon, wie es ausgeht.