„Was Beamte tun sollten wird teuer von anderen erledigt“

INITIATIVE BESSERE VERWALTUNG. Eine Gruppe prominenter Experten aus Verwaltung, Wissenschaft und Justiz präsentierte kürzlich ein 50-Punkte-Programm zur Verbesserung der österreichischen Bürokratie. Einer der Proponenten ist der Wiener Richter Oliver Scheiber.

ANWALT AKTUELL: 16 Fachleute der österreichischen Verwaltung haben 50 Vorschläge gemacht, was man in der Bürokratie verbessern könnte. Welche Ideen sind da besonders wichtig?

 

Oliver Scheiber: Ein Knackpunkt ist zum Beispiel die Verpolitisierung der Verwaltung. Hier erscheint eine Ausrichtung nach Vorbild der Europäischen Kommission sinnvoll, nämlich die Beschränkung der Kabinette auf rund 6 Personen. Das soll auch den Effekt haben, dass nicht so viele Leute von außen in die Verwaltung einsickern, die die Qualitätserfordernisse nicht erfüllen. Ebenfalls ähnlich der Kommission schlagen wir einen „Concours“ vor, ein Auswahlverfahren für wesentliche Positionen in der Bundesverwaltung. Wir beanstanden auch, dass es an einer zentralen Steuerung fehlt und fordern, dass eine Bundesakademie – die frühere Verwaltungsakademie – ausgebaut werden sollte, um eine hochwertige Grundausbildung und Fortbildung zu haben.

 

ANWALT AKTUELL: Dass das Vertrauen in die Politik immer mehr schwindet ist kein österreichisches Phänomen. Allerdings scheint es hierzulande noch eine relativ gute Stimmung in Richtung Verwaltung zu geben. Täuschen sich die Bürgerinnen und Bürger hier?

 

Oliver Scheiber: Ich glaube, die Bevölkerung hat da ein ganz gutes Gefühl. Wenn man sich zum Beispiel die Gemeinden ansieht, dann funktioniert dort tatsächlich vieles noch sehr gut, auch deshalb, weil die unteren Ebenen noch im alten System sozialisiert sind. Die Probleme von Korruption und Kompetenzmangel betreffen eher die obere und mittlere Ebene der Verwaltung. Die Probleme kommen bei den Bürgern mit Verzögerung an, wenn wir nur an die vielen fehlenden Pflegeplätze denken. Immer mehr Bereiche, zum Beispiel auch die Bildung, werden die Verwaltungsmängel zu spüren bekommen.

 

ANWALT AKTUELL: Einiges von dem, was Sie und Ihre Mitstreiter aufzeigen, trägt die Handschrift der Kurz-Regierungen – Stichwort Generalsekretäre, Aufblähung der Ministerkabinette und Einrichtung von PR-Abteilungen mit bis zu 100 Leuten. Sehen Sie aktuell Korrektur-bewegungen oder werden diese Eigenheiten fortgeführt?

 

Oliver Scheiber: Ich kann keine wesentlichen Korrekturbewegungen erkennen. Das Korruptionsstrafrecht soll zwar novelliert werden, doch den Knackpunkt trifft es wieder nicht. So gilt das für alle angekündigten Reformen, zum Beispiel jene der Medien. Besonders schwierig ist die Lage auch deshalb, weil mit Ausnahme der Neos von den Oppositionsparteien auch nicht viel zu erwarten ist. Die Hoffnungen konzentrieren sich sehr stark auf zivilgesellschaftlichen Protest.

 

ANWALT AKTUELL: In der Verwaltung gibt es immer wieder Postenbesetzungen mit stark politischem Beigeschmack. Wie kommt man hier zu mehr Transparenz und zur Auswahl der wirklich Besten?

 

Oliver Scheiber: In den letzten Jahren ist eingerissen, dass auf die Qualifikation praktisch überhaupt nicht mehr geachtet wird. Wir sehen, dass formalisierte Besetzungsverfahren vielfach vorgeschoben und reine Augenauswischerei sind. Siegreiche Kandidatinnen und Kandidaten stehen schon vor Beginn des Auswahlverfahrens fest. Der Vorschlag unserer Initiative ist die Schaffung einer Kommission für den ganzen Bundesdienst, dessen Vorsitz jeweils aus einem Pool unbestrittener Persönlichkeiten ausgelost wird, sodass die Minister nicht mehr – wie es jetzt der Fall ist – die Kommissionen relativ willkürlich zusammensetzen können.

 

ANWALT AKTUELL: Ein interessanter Punkt der Verwaltungsinitiative betrifft das Thema Auftragsvergaben bzw. deren Auslagerung. Die Turbulenzen rund um die Covid-Finanzierungs-Agentur geben da gute Gründe. Was kritisieren Sie am aktuellen Vergabe-Wesen?

 

Oliver Scheiber: Wir kritisieren, dass so viele Entscheidungen ausgelagert werden. Auslagerungen dienen oft nur dazu, befreundeten Personen aus der Partei Posten zu verschaffen, das heißt: was Beamte tun sollten wird teuer von anderen erledigt. Das andere ist, dass mit der Auslagerung in privatrechtliche Konstruktionen Verantwortung verloren geht. Zivil- und strafrechtliche Haftung für Fehler wird damit erschwert. Wie man bei Corona gesehen hat, werden Kernkompetenzen der Verwaltung abgegeben, was auch verfassungsrechtlich problematisch ist.

 

ANWALT AKTUELL: Sowohl während der Corona-Zeit wie auch jetzt bei den Energiepreisen und der Inflation hat man den Eindruck, dass es so etwas wie eine zupackende kontrollierende Verwaltung in Österreich nicht gibt. Können die Beamten nicht oder wollen sie nicht?

 

Oliver Scheiber: Clemens Jabloner hat das kürzlich gut auf den Punkt gebracht, als er sagte „Die Verwaltung funktioniert überall dort gut, wo sich die Politik nicht einmischt.“

 

Die 50 Vorschläge auf einen Blick: www.bessereverwaltung.at