Die Stimme der Frau in der Anwaltschaft

Unterschiedliche Lebensphasen – unterschiedliche Karrieremöglicheiten als Rechtsanwältin

Die Stimme der Frau in der Anwaltschaft: Unterschiedliche Lebensphasen - unterschiedliche Karrieremöglichkeiten als Rechtsanwältin! Es gibt sie immer noch! Die wenig erfreulichen Kommentare von den „berühmten weisen“, alten und leider auch jüngeren Männern in der österreichischen Rechtsanwaltschaft: „Sagen Sie Frau Kollegin, wollen Sie nicht eigentlich eine Familie gründen? Wann wollen Sie denn Ihre Kinder bekommen? O je, Kollegin, das wird dann aber schwierig, wenn Sie Kinder wollen?“, wie mir kürzlich wieder mehrfach von Kolleginnen und Kollegen berichtet wurde.

Man müsste doch eigentlich meinen, dass derartige Aussprüche angesichts einer klaren Gesetzeslage längst Vergangenheit sind. Aber es gibt offenbar immer noch Mitbürger:innen, an denen Artikel 7 (1) Bundes-Verfassungsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz – GlBG, die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft oder auch das in Art 33 (2) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgelegte Prinzip der Geschlechtergleichbehandlung am Arbeitsplatz keine Spuren in ihrem täglichen Verhalten hinterlassen haben.

Wir sehen uns Filme wie “On the Basis of Sex” (https://en.wikipedia.org/wiki/On_the_Basis_of_ Sex) an und bemitleiden darin Ruth Bader Ginsberg (die künftige US Supreme Court Justice), als ihr ein Harvard Professor die Frage stellt, warum sie denn einen Studienplatz in Harvard in Anspruch nehme, wo dieser doch an einen Mann gehen sollte…?. Und sind dabei ganz sicher, dass es angesichts der Gesetzeslage Schnee von gestern ist, dass Frauen heute noch, wie damals Ruth Bader Ginsberg, kämpfen müssen, im Anwaltsberuf tätig zu sein.

 

Die Anwaltschaft sucht, wie übrigens fast jeder Berufsstand und Wirtschaftstreibende heute, nach qualifiziertem Nachwuchs. Die eingangs zitierten Aussagen vermitteln aber genau das Gegenteil, nämlich: Frauen sind nicht willkommen! Die Rechtsanwaltschaft bildet allerdings bald mehr Frauen als Männer zu hochqualifizierten künftigen Berufsträger:innen aus und kann es sich schon allein aus diesem Grund einfach nicht mehr leisten, dass auch nur vereinzelte derartige Fragen das Bild eines Berufsstandes prägen. Die male allies der The Initiative Women in Law (www.womeninlaw.info) unterstreichen, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, Rechtsberufe und vor allem auch den Anwaltsberuf als Frau und als Mann lebensphasengerecht auszuüben.

 

Kinder bleiben für gewöhnlich nicht für immer Neugeborene mit einem hohen Pflegeaufwand für die Eltern! Was bis jetzt noch im Rahmen der Ausbildung zur Rechtsanwält:in in der Kernzeit nicht möglich ist, die Teilzeitbeschäftigung, ist hingegen als eingetragene Rechtsanwält:in im Angestelltenverhältnis oder als Rechtsanwaltsanwärter:in außerhalb der Kernzeit sehr wohl möglich. Es gibt heute sicher nur ganz wenige Arbeitgeber:innen, die ganz bewusst riskieren, gut ausgebildete Rechtsanwaltsanwärter:innen oder Rechtsanwält:innen in einer Lebensphase zu verlieren, die mehr Betreuungsaufwand für die Familie abverlangt. Diese Lebensphasen gehen vorbei. Warum also aus der Anwaltschaft aussteigen, wenn sich offenkundig je nach Lebensphase Perspektiven ändern können und dürfen, die schließlich auch in eine zeitintensive und verantwortungsbewusste Rolle in einer Anwaltspartnerschaft münden können.

 

Aufgerufen sind wir alle im Berufsstand der Anwaltschaft, diese unterschiedlichen Karrierephasen nicht nur zu betonen, sondern respektvoll im Umgang mit unserem Berufsnachwuchs und in der Partnerschaft zu leben. Klar, dass sich im Rahmen einer solchen Zusammenarbeit alle aufeinander verlassen können müssen. Klar festgelegte Anforderungsprofile, die auch gelebt werden und selbst dann akzeptiert werden, wenn es nicht nur im Ausnahmefall zu zeitkritischen Einsätzen kommt, sind eine Grundvoraussetzung für die Akzeptanz unterschiedlicher Karrierephasen. Wir wissen, dass der Rechtsanwaltsberuf ein herausfordernder aber gleichzeitig auch extrem abwechslungsreicher und befriedigender Beruf ist, denn wir können in der Regel den Erfolg unserer Beratungs- und Vertretungstätigkeit relativ rasch erleben.

 

Ein ehrlicher und effektiver male allie wird daher bei jeder sich bietenden Möglichkeit ein deutliches Wort zu den eingangs erwähnten Äußerungen fallen lassen. Das bedeutet nicht gleich shaming aber jedenfalls eine kristallklare negative Positionierung zu solchen Äußerungen!

In Track 3 Anti-Discrimination – Gender Equality 2.0 und in Track 4 Intergenerational Learning der 4. Internationalen Konferenz vom 14. bis 16. September 2023 in Wien der The Initiative Women in Law – Frauen im Recht www.womeninlaw.info werden gerade auch zu diesem Thema viele best practice examples diskutiert werden.