Die Exekutionsrechtsreform und ihre Folgen

MAG. H. MUSSER Geschäftsführender Direktor des AKV
MAG. H. MUSSER Geschäftsführender Direktor des AKV

Der Gesetzgeber hat nun eine Gesamtreform des Exekutionsrechts (GREx)
beschlossen. Dieses Bundesgesetz wurde am 14.05.2021 im Bundesgesetzblatt
kundgemacht (BGBl I 2021/86) und tritt am 01.07.2021 in Kraft.

Es wird vor allem die Exekution auf das bewegliche Vermögen neu geregelt. Zudem werden neue Schnittstellen zwischen Exekutions- und Insolvenzverfahren geschaffen und in diesem Zusammenhang wird in der Insolvenzordnung (IO) auch ein neues Schuldenregulierungsverfahren eingeführt, welches als Gesamtvollstreckung bezeichnet wird.

 

Offenkundige Zahlungsunfähigkeit im Exekutionsverfahren
Ziel der GREx ist es, die Effizienz von Exekutionsverfahren zu steigern. Um aussichtslose Exekutionsverfahren zu vermeiden, soll nach einem neuen § 49a der Exekutionsordnung (EO) eine „offenkundige Zahlungsunfähigkeit“ bereits im Zuge
anhängiger Exekutionsverfahren festgestellt und in der Ediktsdatei veröffentlicht werden können. Erfolglose Exekutionsversuche können daher zur Feststellung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten führen. Die betreffenden Exekutionsverfahren werden „ abgebrochen“, weil Forderungen bei Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit
zukünftig im Rahmen eines Insolvenzverfahrens hereingebracht werden sollen, auf welches der Gläubiger zur Hereinbringung seiner Forderung verwiesen wird. Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens kommt es sodann zu einer gleichmäßigen Verteilung der Erlöse bzw. des pfändbaren Einkommens. Für den Schuldner hat ein solches Insolvenzverfahren den Vorteil eines Zinsen- und Kostenstopps.

Da nach der Feststellung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit die Exekutionsverfahren ruhen und Fortsetzungsanträge vorwiegend erst nach erfolglosen bzw. abgewiesenen Insolvenzanträgen möglich sind, wird es vermehrt zu Insolvenzanträgen von Gläubigern gegen ihre Schuldner kommen. Aus diesem Grund werden mit der GREx auch in der Insolvenzordnung neue Bestimmungen eingeführt, die sich zum Teil am Exekutionsrecht orientieren.

 

Das neue Insolvenzverfahren „Gesamtvollstreckung

 

Das im § 184a IO neu geschaffene Insolvenzverfahren „Gesamtvollstreckung“ ist ein Unterfall des Schuldenregulierungs- verfahrens, nämlich ein solches, das über Antrag eines Gläubigers eröffnet wird. Es liegen daher noch keine Entschuldungsanträge (Sanierungsplan, Zahlungsplan, Abschöpfungsverfahren) des Schuldners vor.

 

Für dieses Verfahren wurden zahlreiche ergänzende Bestimmungen in der IO geschaffen:

 

1. ERLEICHTERUNGEN, UM ZU EINER INSOLVENZERÖFFNUNG ZU KOMMEN
Wenn es nach öffentlicher Bekanntmachung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit an einem zur Deckung der Kosten des Schuldenregulierungsverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögen fehlt, sieht nun § 183a IO vor, dass der Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Verfahrens aus diesem Grund nicht abzuweisen ist. Auch ein Insolvenzverwalter soll grundsätzlich nicht bestellt werden (§ 190 Abs. 1 IO).

 

2. BEZEICHNUNG ALS GESAMTVOLLSTRECKUNG UND BEENDIGUNG
Das auf Antrag eines Gläubigers eröffnete Schuldenregulierungsverfahren ist im Insolvenzedikt ausdrücklich als Gesamtvollstreckung zu bezeichnen. Die Gesamtvollstreckung ist zu beenden, sobald der Schuldner die Annahme eines Sanierungsplans oder Zahlungsplans oder die Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens beantragt (§ 184a Abs. 1 IO). Das Verfahren läuft dann als Schuldenregulierungsverfahren weiter, das nun auf eine Entschuldung ausgerichtet ist.

 

3. VERTEILUNGEN
Da mitunter bei einer Gesamtvollstreckung nur geringe Beträge hereingebracht werden können, sollen Verteilungen an die Gläubiger erst durchgeführt werden, sobald eine Quote von 10 % verteilt werden kann, jedenfalls aber nach drei Jahren

(§ 192a IO).

 

4. AUFHEBUNG WEGEN DAUERHAFT FEHLENDEN PFÄNDBAREN BEZUGS
Verfügt ein Schuldner über kein Vermögen mehr, aber auch über kein pfändbares Einkommen, so kann es auch zu keinen Verteilungen kommen. Ein solches Verfahren ist nach derzeitiger Rechtslage aufzuheben. Der neue § 192b IO sieht aber nun vor, dass das Schuldenregulierungsverfahren erst aufzuheben ist, wenn der Schuldner seit mehr als 5 Jahren keinen den unpfändbaren Freibetrag übersteigenden Bezug hatte und ein solcher nicht zu erwarten ist. Damit sollen eben aussichtslose Exekutionsanträge vermieden werden, mit denen bei Aufhebung eines Insolvenzverfahrens zu rechnen wäre.

 

5. ÜBERPRÜFUNG DER VERMÖGENSLAGE
Da eine Gesamtvollstreckung im Schuldenregulierungsverfahren längere Zeit dauern kann, ordnet der neue § 189a IO regelmäßige Überprüfungen der Vermögenslage des Schuldners an. So hat das Gericht alle sechs Monate einen Auszug beim
Dachverband der Sozialversicherungsträger einzuholen. Zudem haben das Gericht jährlich und das Vollstreckungsorgan alle zwei Jahre zu prüfen, ob der Schuldner neues Vermögen erworben hat. Der Schuldner hat zudem jährlich sein Vermögensverzeichnis zu ergänzen und zu bekräftigen.

 

6. VERTRAGSAUFLÖSUNGSSPERRE ZUR WOHNVERSORGUNG
Während einer Gesamtvollstreckung können Verträge über Miet- und sonstige Nutzungsrechte an den für die Wohnversorgung unentbehrlichen Wohnungen nur aus wichtigem Grund aufgelöst werden, solange der Schuldner die während des Verfahrens anfallenden Entgelte zahlt (§ 184a Abs. 2 IO). Das betrifft auch die zur Benutzung einer solchen Wohnung nötigen Verträge, insbesondere zur Energieversorgung mit Strom oder Gas. Ein Verzug mit Leistungen aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung gilt dabei nicht als wichtiger Auflösungsgrund.

 

7. NEUE VEBINDLICHKEITEN WÄHREND DES GESAMTVOLLSTRECKUNGSVERFAHRENS
Auch die zwischen Eröffnung und Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens entstandenen vertraglichen vermögensrechtlichen Ansprüche sind bei einer nachfolgenden Entschuldung nur quotenmäßig zu bedienende Insolvenzforderungen, wenn sie weder Masseforderungen sind, noch aus Verträgen zur Deckung des dringenden Lebensbedarfs stammen (§ 184a Abs. 3 IO).

 

Folgenabschätzung
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass durch diese Reform jährlich 1.000 zusätzliche Insolvenzverfahren über Gläubigeranträge anfallen werden. Im Bereich der Exekutionsverfahren rechnet das Justizministerium dagegen damit, dass wegen des Abbruchs der Exekution circa 5 % aller Exekutionsverfahren wegfallen werden, das sind 37.500 Exekutionsanträge, die circa 5.000 Verpflichtete betreffen.
Nach Einschätzung des AKV wird die Mitwirkung der meist unvertretenen Schuldner im Gesamtvollstreckungsverfahren
oftmals nicht gegeben sein. Aufgrund der zumeist belassenen Eigenverwaltung wird auch die Problematik der Durchsetzbarkeit neuer Verbindlichkeiten zunehmen. Die beabsichtigten insolvenzrechtlichen Änderungen hat der AKV auf seiner Homepage unter https://www.akv.at/aktuelles/rechtliches in zwei Beiträgen umfangreich dargestellt.

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