EU verschärft Korruptionsbekämpfung

LAURA KÖVESI, Leiterin der Europäischen Staatsanwaltschaft, hat in ihrem Heimatland Rumänien reiche Erfahrung in der Korruptionsverfolgung gesammelt
LAURA KÖVESI, Leiterin der Europäischen Staatsanwaltschaft, hat in ihrem Heimatland Rumänien reiche Erfahrung in der Korruptionsverfolgung gesammelt

HOLPRIGER START. Anfang Juni nahm in Luxemburg die neu geschaffene Europäische Staatsanwaltschaft ihre Arbeit auf. Als kleinen Kunstfehler könnte man sehen, dass nur 22 der 27 EU-Staaten sich an dem Projekt beteiligen. Die neue EU-Generalanwältin stammt aus Rumänien. Das Selbstbild sieht so aus: „Die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) ist als erste unabhängige dezentrale Staatsanwaltschaft der Europäischen
Union befugt, Straftaten gegen den EU-Haushalt wie Betrug, Korruption und schweren grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug zu untersuchen, strafrechtlich zu verfolgen und vor Gericht zu bringen. Das OLAF (Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung) steht ihr dabei als vertrauenswürdiger und privilegierter Partner zur Seite.“

Viel zu tun
Die neue EU-Staatsanwaltschaft setzt das Werk von 18 Staatsanwälten fort, die bereits seit 2014 grenzüberschreitende Wirtschaftskriminalität in Europa verfolgen. Als größten Fang konnten diese Ermittler Korruptionsgeschäfte rund um den Airbus-Konzern feiern. Am Ende dieses Verfahrens stand ein Vergleich, der Airbus zur Zahlung von insgesamt 3,6 Milliarden Euro Strafen verpflichtete. Die Ermittlungsfelder der Behörde reichen von der Zweckentfremdung von EU-Geldern über
die Verfolgung von Mafia-Clans bis zum Mehrwertsteuerbetrug. Immerhin geht es nach Schätzungen der Behörde um rund 500 Millionen Euro, die jährlich kriminell zweckentfremdet werden.

 

Starke Behörde mit Durchgriff
88 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte beschäftigen sich mit den Causen, die an die Behörde herangetragen werden. Wogegen ermittelt wird, entscheidet jeweils eine Kammer der EU-Staatsanwaltschaft. Der Mindestverfahrenswert beträgt 10.000 Euro. Die EU-Kommission rechnet mit 3.000 bis 4.000 Fällen, die die neue Behörde jährlich zu bearbeiten hat. Der Schaden bei grenzüberschreitendem Mehrwertsteuerbetrug wird auf 30 bis 60 Milliarden Euro geschätzt.
Auch in Sachen Corona-Wiederaufbaufonds will die neue Staatsanwaltschaft sehr wachsam sein, geht es hier doch in Summe um 750 Milliarden Euro, die an EU-Staaten ausgezahlt werden. EU-Justizkommissar Didier Reynders ist optimistisch, dass die EUStA „sicherstellen werde, dass das Geld in vollem Umfang für die wirtschaftliche
Erholung von der Krise verwendet wird.“ Bei ihrer Arbeit hat die Behörde umfangreiche grenzüberschreitende
Kompetenzen, die von den 22 teilnehmenden Ländern nicht geschmälert werden können. So ist jeder der EU-Staatsanwälte befugt, sich selbständig an jede Polizeistelle zu wenden. Auch steht ein EU-weites Netz von Ermittlern zu Verfügung.

 

Leiterin mit Kampferfahrung
Laura Kövesi, die 48-jährige Leiterin der EUStA, stammt aus Rumänien, hat dort Rechtswissenschaften studiert und eine Dissertation über den Kampf gegen organisiertes Verbrechen geschrieben. Nach ihrer Tätigkeit als Staatsanwältin wurde sie 2006 zur Generalstaatsanwältin am Obersten Gerichts- und Kassationshof Rumäniens berufen. Im Mai 2013 übernahm Kövesi die Leitung der rumänischen Antikorruptionsbehörde. Bevor sie ihr Amt in Luxemburg antrat war sie in ihrem Heimatland mit strafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert. Im März 2018 entstand daraus eine Anklage, die mit einem Ausreiseverbot verbunden wurde. Die Betroffene konnte sich schließlich erfolgreich gegen die politisch motivierte Verfolgung wehren und setzte sich im Jahr 2019 im EU-Bestellungsverfahren gegen männliche Kandidaten aus Frankreich und Deutschland durch.

 

Die üblichen Verdächtigen, und andere Zögerer
Dass von den 27 EU-Staaten nur 22 bei der Europäischen Staatsanwaltschaft mitmachen verwundert auf den ersten Blick nicht. Fast schon traditionell beteiligen sich Polen und Ungarn grundsätzlich nicht an der Behörde. Aber auch Länder wie Dänemark und Schweden halten sich momentan in Sachen gemeinsamer Verbrechensbekämpfung ohne plausible Erklärung zurück. Der slowenische Ministerpräsident kocht sein Spezialsüppchen, indem er sich weigert, eine nationale Vertreterin oder einen Vertreter nach Luxemburg zu entsenden. Dasselbe wird aus Finnland und der Slowakei gemeldet. Österreich wird in der neuen Behörde von der früheren Oberstaatsanwältin der WKStA, Ingrid Maschl-Clausen, vertreten. Dass die Behörde sich nicht scheut, auch große Kaliber anzugreifen, erkennt man an dem Plan, sich mit den Millionensubventionen zu beschäftigen, die der tschechische Ministerpräsident Babis für seine Agrofert Holding bei der EU abgeholt hat.