Jetzt oder nie, der Sprung ins eiskalte (?) Wasser!

DR. ALIX FRANK-THOMASSER
DR. ALIX FRANK-THOMASSER

…. und was sonst noch alles zu beachten ist, wenn die junge, frisch angelobte Rechtsanwältin überlegt, in eine Rechtsanwaltspartnerschaft einzutreten, in Kooperation mit einer Rechtsanwaltskanzlei tätig zu sein oder als Einzelanwältin   ihr Glück zu versuchen.

 

So banal die folgenden Fragen sind, die Antworten darauf haben eine ganz wesentliche Auswirkung auf eine gezielte Planung der eigenen Karriere:

Wie viel Zeit will ich meinem Beruf als Rechtsanwältin widmen? Wann möchte ich eine Familie gründen? Oder, habe ich Kinder bzw. andere Personen zu betreuen – wie lange werden diese noch im Haus sein? Welche Hobbys habe ich und kann ich diese mit meinem Anwaltsberuf verknüpfen? Der zeitliche Anspruch an junge Associates, Juniorpartner, oder Partner ist angesichts der nach wie vor in Österreich und international geübten Praxis, auf der Basis einer Anwaltsstunde Honorar zu generieren, also Beratungszeit zu verkaufen, sehr hoch. Die meisten Partnerschaftsvereinbarungen binden das jährliche Einkommen und die Gewinnansprüche an die Anzahl der sogenannten billable hours. Nicht selten lese ich als Zielvorgabe 1500 bis zu 2000 billable hours pro Jahr für Juniorpartner. Es ist beim besten Willen nicht leicht, auch nur 1500 an Klienten verrechenbare Stunden pro Jahr zu erbringen. Da muss man schon typischerweise von einer 50 Stundenwoche ausgehen, um ehrliche 30 verrechenbare Stunden zusammenzubringen. Wenn man dann noch Pausen, Mittagessen, after work events, Feiertage und den wohlverdienten Jahresurlaub mit in diese Zeitrechnung einbezieht, findet man sich als junger Rechtsanwalt oder junge Rechtsanwältin ganz intensiv an Wochenenden am Büroschreibtisch, ganz einfach, um „die Stunden zu machen.“

 

Die hochgelobte Entwicklung digitaler Technologien hat uns auch das Geschenk beschert, überall arbeiten zu können. Leider führte das auch dazu, dass gerade im Anwaltsberuf das Credo herrscht, dass Loyalität den Klienten gegenüber auch heißt, 24/7 erreichbar zu sein. Die ideale junge Rechtsanwältin sollte sich daher nur ihrer anwaltlichen Karriere, also primär – vor jeder anderen Verantwortung – der Anwaltskanzlei gegenüber verantwortlich fühlen.

Heißt das nun, ich habe als junge Rechtsanwältin nur die Chance mich auf eigene Beine zu stellen, als Einzelanwältin in Kooperation mit anderen Anwälten oder ganz allein in meiner eigenen Kanzlei, um noch ein Leben neben meinem Anwaltsberuf führen zu können? Nein, d. h. es nicht.

Es gilt viel eher, sich nicht nach dem lukrativsten Partnerschaftsvertrag zu orientieren, sondern sich die Rechtsanwaltspartnerschaft und deren Prinzipien, wie der Anwaltsberuf ausgeübt wird, näher anzusehen. Anwaltspartnerschaften, die Diversität (ganz bewusst nicht nur auf Gender bezogen) auf möglichst allen Ebenen der Rechtsanwaltskanzlei leben, haben meist auch eine ganz andere Philosophie, wie der Klient zufriedengestellt werden kann. Also die anwaltliche Arbeit lukrativ und ohne ein dramatisches Risiko für ein Burnout erbracht werden kann.

Eine Schlüsselfrage ist auch, wie Modelle einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung aufgebaut sind, denn es geht nach international anerkannten Studien und Lehrmeinungen nicht darum, ob eine solche flexible Arbeitszeitgestaltung gerade Frauen anspricht, sondern ob sie jedermann anspricht. Denn nur für alle Mitarbeiter eine Rechtsanwaltspartnerschaft
geltende Lösungen führen eine nachhaltige Veränderung des Arbeitsklimas für Frauen im Anwaltsberuf herbei. Andernfalls besteht das Risiko, dass Frauen wiederum nur in eine ganz bestimmte Richtung in der Kanzlei gedrängt werden, damit vielleicht arbeitszeitmäßig zurechtkommen, aber karrieremäßig weit unter der Glasdecke stehen bleiben.
Ein ganz brisantes Thema ist Sponsorship: Ein junger Anwalt, eine junge Anwältin brauchen nicht nur Handlungs-
anleitung, also Mentorship, sondern Förderung und diese Förderung können nur die Seniorpartner*innen wirksam für eine Karriereplanung zur Verfügung stellen. Nur durch ein solches Sponsorship wird Veränderung erfolgreich eingeleitet.

 

Zweite Internationale Konferenz

Am Beginn einer Berufskarriere denkt man natürlich nicht zuerst an die Altersversorgung. Trotz allem und das zeigte nicht nur eine Plenumsdiskussion des in der Woche vom 7. Juni 2021 stattfindenden Deutschen Anwaltstages zum Thema Familie und Beruf – wie Anwältinnen und Anwälte die Rentenlücke trotz Familie vermeiden – auf: Familiäre Auszeiten schaffen in einem Beitragssystem, das darauf aufbaut, wie viele Beiträge eingezahlt wurden, entsprechende Lücken, die zumeist den Frauen auf den Kopf fallen. Lücken, die in Rechtsanwaltspartnerschaften mit Anspruch auf gelebte Diversität geschlossen werden könnten.

 

Auch diese Themen wird die Zweite Internationale Konferenz der Initiative Women in Law – Frauen im Recht www.womenlaw.info vom 9.–11. September 2021 beleuchten.

Die Autorin:

Gründerin der Alix Frank
Rechtsanwälte GmbH in Wien,
spezialisiert auf M&A, Gesellschaftsrecht, Restrukturierungen, Europäisches Vertragsrecht etc. diverse Funktionen in der
Standesvertretung national und international.
Gründerin und Obfrau des Vereins „Women in Law“