Die Stimme der Frau in der Anwaltschaft

Heute hat mich der Mut verlassen…!


DR. ALIX FRANK-THOMASSER
DR. ALIX FRANK-THOMASSER

Vor der Sommerpause diskutierten beim Anwaltstag im Juni 2021 im Stift Ossiach virtuell und analog drei Kolleginnen, die Rechtsanwältinnen MMag. Dr. Elisa Florina Ozegovic LL.M., Vizepräsidentin Dr. Marcella Prunbauer und die Rechtsanwaltsanwärterin Mag. Marlene Spenger gemeinsam mit unserem male ally Vizepräsident Dr. Armenak Utudjian und dem Publikum unter meiner Moderation in einem drei Stunden langen Workshop zum Thema „Die Zukunft der Frauen in der Anwaltschaft“.


Neben vielen wichtigen Themen und Rahmenbedingungen für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes durch die Rechtsanwältin hat die Vizepräsidentin des ÖRAK und Rechtsanwältin Marcella Prunbauer-Glaser sehr treffend zum Thema formuliert: „Man muss tatsächlich viel am Außenbild der Frau in der Anwaltschaft drehen, z.B. durch Werbemaßnahmen. Man kann aber auch das Innenbild, die eigene Selbstwahrnehmung und den Mut, sich darzustellen, stärken. Junge Kolleginnen können durchaus sagen: Hier bin ich. Ich bin gut. Ich kann’s genauso gut, wie jeder Mann. Die Anwaltschaft ist kein Gentlemen’s Club mehr.“

 

Wie schnell mich dieses Zitat in der Realität einholen würde, wusste ich zum damaligen Zeitpunkt nicht. Vor ein paar Tagen erreichte mich der Anruf eines Kollegen:

Er: Du widmest dich doch auch dem Schicksal von Frauen in der Anwaltschaft, ich brauche deinen Rat. Heute Morgen hat mich meine Konzipientin besucht. Fachlich wie auch im Kontakt mit Klienten wirklich eine Offenbarung. Sie will kündigen, sagt sie mir, aber nicht, weil es ihr bei uns nicht gefällt oder sie irgendwelche negativen Erfahrungen gemacht hätte, sondern, weil sie mit dem Stress in unserem Beruf nicht zurechtkommt.

Ich: Ist das wirklich der Stress, hast Du nachgefragt?

Er: Na ja, nach einer halben Stunde Gespräch kam heraus, dass es nicht gerade der Stress ist, sondern eher der Umstand, dass der Beruf ihr gesamtes Leben mittlerweile dominiert und sie einfach für die Zukunft der Mut verlässt, jemals wieder Zeit für etwas Anderes als den Beruf zu haben. Seien wir uns ehrlich, liebe Leserinnen und Leser, wir alle haben streckenweise in unserem Beruf sicher schon einmal das Gefühl gehabt, von unserem Beruf aufgefressen zu werden. Sicher nicht jeder von uns hat das Problem mit einer Kündigung oder Beendigung des Berufes bewältigt, denn spätestens bei der nächsten beruflichen Herausforderung hätte uns dieses Gefühl sicher irgendwann wieder eingeholt. Was aber hat dies mit Frauen in der Anwaltschaft oder deren Zukunft in diesem Berufsstand zu tun?

Es ist empirisch erwiesen, dass Männer wie Frauen unter genau eben diesem Symptom im Beruf gleichermaßen leiden. Männer verdrängen dieses Problem oft mit noch mehr Arbeit und landen im schlechtesten Fall als Kandidat für Zahlungen
aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Frauen treten hingegen erwiesenermaßen gerne schnell den Rückzug aus dem betroffenen Beruf an. Beide Lösungsvarianten sind keine Lösung.

Eine Lösung wäre, den Hintergrund dieser Symptome zu hinterfragen. Es liegt auf der Hand, dass 50 – 60 Wochenstunden anwaltliche Arbeitszeit nur fallweise, aber sicher nicht auf Dauer zu einem ausgeglichenen Berufs- und Privatleben führen. Im Gegenteil, ein erfülltes Privatleben und da spreche ich vor allem von Zeit, die der Anwältin oder dem Anwalt ganz allein gehört, erhält nachweislich auf lange Sicht unsere Kreativität und damit auch die berufliche Energie, die wir dringend brauchen, um unsere Mandate für unsere Klienten auch verantwortungsvoll und erfolgreich führen zu können.

Was habe ich also meinem Kollegen geraten? Sprich mit deiner Konzipientin noch einmal, gib ihr die Möglichkeit, ihren Berufsalltag neu zu strukturieren, sei offen für Vorschläge zur Arbeitszeit aber auch zu Arbeitsschwerpunkten. Wenn Sie so gut ist, wie du es schilderst und vor allem auch so viel Verständnis für die Sorgen deiner Klienten aufbringt, werdet ihr beide eine gute Lösung finden, die ihr wieder Mut für ihre eigene Zukunft als Rechtsanwältin gibt. Es wäre doch schade, eine so gute Kollegin zu verlieren.

Auch die Themen Flexibility and Agility und Threats to Physical and Mental Health wird die Zweite Internationale Konferenz der Initiative Women in Law – Frauen im Recht www.womenlaw.info vom 9. – 11. September 2021 beleuchten.


Die Autorin:
Gründerin der Alix Frank Rechtsanwälte GmbH in Wien, spezialisiert auf M&A, Gesellschaftsrecht, Restrukturierungen, Europäisches Vertragsrecht etc. diverse Funktionen in der Standesvertretung national und international.
Gründerin und Obfrau des Vereins „Women in Law“