Reizfaktor Verbrechen

EINBLICKE. Im Universum der anwaltlichen Arbeit spielt die Strafverteidigung

eine exquisite Rolle zwischen Bewunderung und Verachtung. Zwei der bekanntesten deutschen Vertreter dieses Fachs haben ein spannendes Buch geschrieben, quasi viele kleine Krimis auf 300 Seiten. Ein Plädoyer für den Berufsstand.

Wenn man ein Panorama der Strafverteidigung in Cinemascope sucht, dann ist „Inside Strafverteidigung – Advokaten des Bösen“ von Burkhard Benecken und Hans Reinhardt wärmstens zu empfehlen. Hier sind einerseits fast alle Möglichkeiten des Gesetzesverstoßes anzutreffen, andererseits werden dem Berufskollegen, der Berufskollegin tolle Ansätze in Sachen Strategie vermittelt. Nicht zuletzt kommen alle auf ihre Rechnung, die die Deutschen für ihre Arbeitswut bewundern.


Darf man dem Bösen beistehen?
Obwohl die beiden Autoren ihren Beruf seit Jahrzehnten mit spürbarer Begeisterung ausüben stellen sie sich immer wieder die Grundfrage „Wie kann man nur Verbrecher retten?“ Sehr viele Beispiele im Buch dokumentieren dann, dass Tatverdacht nicht gleich Schuld ist und die Zahl unerwarteter Freisprüche nicht gering geschätzt werden sollte. Die beiden Juristen sehen ihre Mission jedenfalls darin, auch den umstrittensten Charakteren „das Recht auf faire Verteidigung“ zu sichern. Es ist interessant zu lesen, wie Benecken und Reinhardt die Beziehungsfelder ihrer Arbeit beschreiben – ihr Verhältnis zu den Beschuldigten und ihren Angehörigen, zur Polizei, zu den Staatsanwälten, zu den Richtern, zu Mitverteidigern oder zu Sachverständigen.


Mit Lust und List
Lesenswert ist auch, was die beiden Strafverteidiger über ihre Strategien preisgeben. Wer das Kapitel unter den Titel „Kampf und Kunst“ stellt, drängt den Gedanken an die Unerbittlichkeit der Samurai geradezu auf. Selbst abgebrühte Kolleginnen und Kollegen werden hier möglicherweise auf Neues stoßen. Vielleicht nicht beim Kapitel „Schweigen ist Silber, Reden ist Gold“, möglicherweise aber unter „Schüsse auf die Schuldfähigkeit“.

„Die Macht des Plädoyers“ dokumentiert Selbstbewusstsein, Angriffslust und Siegerwillen. Die schon angedeutete deutsche Arbeitswut ist gut illustriert in der Dokumentation einer Arbeitswoche des Verteidigers Burkhard Benecken. Da möchte man nicht unbedingt die Frau sein, die daheim mit dem Essen wartet.

 

Medien und Skurriles

Wohl kein anwaltliches Arbeitsfeld steht derart im Fokus der Öffentlichkeit wie die Strafverteidigung. Interessant also, wie die beiden Autoren ihr Verhältnis zu den Medien beschreiben. Je prominenter die Klientin oder der Klient, umso besser läuft natürlich dieses Geschäft.
Neben diesen Geschichten, die quasi der ganzen Nation erzählt werden, sind es die vielen skurrilen Einzelfälle, aus denen sich der Reiz der Strafverteidigung zusammensetzt. Dies zu vermitteln gelingt diesem Buch ausgezeichnet.