„Ich glaube, dass es grundsätzlich mehr Achtung und Moral im Umgang mit staatlichen Institutionen braucht“

UNMUT. Wenig Freude hat die Präsidentin der Staatsanwält:innen, Cornelia Koller, mit der aktuellen Praxis von Postenbesetzungen im Justizbereich. Im ANWALT AKTUELL-Gespräch geht es auch um Nachwuchsprobleme und die Frage, wann mit einer Alternative zum Weisungsrecht des Justizministeriums zu rechnen ist. 

Interview: Dietmar Dworschak

 

Anwalt Aktuell: Frau Präsidentin, wie gefällt es Ihnen, dass wichtige Leitungspositionen in der Justiz seit Monaten nicht besetzt werden?

 

Cornelia Koller: Sowohl als Staatsbürgerin wie auch als Standesvertreterin finde ich es beschämend, dass solche wichtigen Postenbesetzungen offenkundig von parteipolitischen Entscheidungen abhängig sind und dass es nicht darum geht, Spitzenpositionen mit den geeignetsten Leuten zu besetzen. Ich würde mir wünschen, dass die fachliche Qualifikation der Bewerber:innen der einzige Maßstab für eine Postenbesetzung ist.

 

Anwalt Aktuell: In Österreich ist so ziemlich alles geregelt. Warum eigentlich nicht die Frist für die Besetzung von Spitzenpositionen?

 

Cornelia Koller: Es gibt leider kein Regelwerk. Die Personalkommissionen bzw. die Personalsenate bei den Gerichten machen Entscheidungsvorschläge. Die Reihungen werden an die Ministerin übermittelt und dann ist es Sache der Bundesregierung, einen Vorschlag auszuarbeiten und an den Bundespräsidenten zu übermitteln.

 

Anwalt Aktuell: Bei wem liegt jetzt das Entscheidungsproblem?

 

Cornelia Koller: Ich bin in diese Personalentscheidungen nicht eingebunden und kann daher hierzu auch keine valide Aussage treffen. Es ist aber dringend geboten, hier ohne weitere Zeitverzögerungen Entscheidungen zu treffen.

 

Anwalt Aktuell: Herbst ist immer die Zeit der Budgeterstellung. Zuletzt waren die Staatsanwält:innen relativ ruhig. Sind Sie zufrieden mit Ihrer Personalausstattung?

 

Cornelia Koller: Mehr Personal ist immer ein Thema für uns. Womit wir derzeit vermehrt kämpfen ist die Nachwuchsrekrutierung, um die Stellen besetzen zu können, die wir bekommen haben. Es geht darum, das Jobprofil derart attraktiv zu gestalten, dass wir weiterhin sicherstellen können, die besten Jurist:innen für die Justiz begeistern zu können.

 

Anwalt Aktuell: Ruhig ist es um die WKStA geworden. Sind mittlerweile alle politischen Feinde dieser Behörde außer Dienst oder hat man die Wichtigkeit der Verfolgung von Wirtschaftsverbrechen und Korruption allgemein eingesehen?

 

Cornelia Koller: Der öffentliche Aufschrei hat meiner Meinung nach schon gezeigt, dass die Arbeit der WKStA als eine für den Rechtsstaat unbedingt notwendige angesehen wird und hier rote Linien überschritten wurden, was auch von der Öffentlichkeit nicht akzeptiert wurde. Kritik ist selbstverständlich erlaubt und erwünscht, allerdings muss sie dort geäußert werden, wo sie hingehört, nämlich im Rechtsmittelverfahren. Ich glaube, dass es grundsätzlich mehr Achtung und Moral im Umgang mit staatlichen Institutionen braucht. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass das Vertrauen nicht nur in die Justiz, sondern in alle rechtsstaatlichen Institutionen gestärkt werden muss, weil dies die Grundlage dafür ist, dass die Öffentlichkeit Vertrauen in das Funktionieren dieser Institutionen hat, was die Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Rechtsstaat ist.

 

Anwalt Aktuell: Bei unserem letzten Gespräch war Cyber-Crime ein wichtiges Thema. Hat sich hier etwas getan im Sinne der Einrichtung spezialisierter Staatsanwaltschaften?

 

Cornelia Koller: Wir haben mittlerweile die Cyber-Crime-Kompetenzstellen bundesweit ausgerollt, das heißt, bei allen großen Staatsanwaltschaften gibt es spezialisierte Staatsanwältinnen und Staatsanwälte – und bei den kleineren gibt es Kontaktstellen, die mit den Kompetenzstellen zusammenarbeiten. Das funktioniert sehr gut. Probleme zeigen sich derzeit immer öfter in der Fallarbeit, da die Strafprozessordnung aus einer Zeit stammt, in der Digitalisierung noch kein Thema war und wir hier dringend eine größere Reform bräuchten, um auch das Werkzeug der Ermittlungsbehörden den Herausforderungen der Digitalisierung anzupassen. So müssen wir etwa dringend über den Umgang mit Kryptowährungen, mit international vernetzter organisierter Kriminalität oder etwa Überwachungsmöglichkeiten im Internet sprechen, um der Kriminalität hier keinen technischen oder rechtlichen Freiraum zu überlassen.

 

Anwalt Aktuell: Wenn wir schon von spezialisierter Strafverfolgung sprechen – wie sieht es da im Umweltbereich aus? Der Klimawandel sollte ja Anlass genug sein, diverse Verursacher zu verfolgen?

 

Cornelia Koller: Es gibt bei den großen Staatsanwaltschaften bereits spezialisierte Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Diese Spezialzuständigkeit ist bereits vorgesehen. Was die Tatbestände betrifft ist es natürlich Sache der Gesellschaft, zu entscheiden, was mit Strafrecht verfolgt und was im Verwaltungsrecht bleiben soll, mir persönlich ist es aber wichtig, dass das Strafrecht die „ultima ratio“ bleibt.

 

Anwalt Aktuell: Eine Frage an Sie als Frau und Staatsanwältin: Wie fühlen Sie sich angesichts der rekordverdächtigen Zahl an Frauenmorden in diesem Jahr?

 

Cornelia Koller: Ich bin natürlich erschüttert. Jeder Mord ist ein Mord zu viel. Der Schwerpunkt der Politik muss meiner Meinung nach darauf gerichtet sein, unsere Gesellschaft so auszugestalten, dass solche Morde bestmöglich verhindert werden. Die Staatsanwaltschaft leistet natürlich auch ihren Beitrag, indem alles getan wird, um die Ermittlungen rasch und umfassend zu führen. Im besten Fall können aus diesen Ergebnissen dann auch Schlüsse für allfällige präventive Maßnahmen gezogen werden.

 

Anwalt Aktuell: Nachdem das Informationsfreiheitsgesetz nach vielen Verhandlungsjahren nun endlich Gestalt anzunehmen scheint muss ich Ihnen die „Ewig-grüsst-das-Murmeltier“-Frage stellen: Wann fällt das Weisungsrecht des Justizministeriums?

 

Cornelia Koller: Es tut mir sehr weh, dass es auch in dieser Legislaturperiode nicht zu gelingen scheint, eine wirklich große Neuerung zu schaffen. Wenn ich mir allerdings die Vorstellungen einiger Parteien anschaue, was die Ernennungsvorschläge bzw. die Kontrollrechte der Politik gegenüber den Staatsanwaltschaften betrifft, dann ist es mir sogar lieber, wir ändern nichts und belassen alles beim Alten. Mein großer Wunsch wäre, dass das Papier, das die Arbeitsgruppe im Justizministerium ausgearbeitet hat, tatsächlich umgesetzt wird. Hier haben zahlreiche Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Justiz ein wirklich gut durchdachtes Konzept erarbeitet, wie eine moderne Weisungsspitze mit einer klaren Gewaltenteilung aussehen könnte.

 

Anwalt Aktuell: Wie sieht dieser Plan aus?

 

Cornelia Koller: Das Weisungsrecht würde vom Justizministerium herausgenommen und an die Generalprokuratur übertragen werden. Diese soll dann in Dreiersenaten über Weisungsfragen entscheiden. Die Senatslösung hätte den großen Vorteil, dass die Entscheidung nicht in der Hand einer Person liegt und diese daher auch nicht so exponiert wäre. Darüber hinaus zeigen der Weisungsrat aber auch die höchstgerichtlichen Entscheidungsfindungen, dass kollegiale Entscheidungen ein hohes Maß an Qualität sicherstellen.

 

Frau Präsidentin, danke für das Gespräch.