VfGH. Mit zwei Entscheidungen zu wesentlichen Themen der Republik hat der Verfassungsgerichtshof gezeigt, wie schamlos sich die Politik Gesetze bastelt, die im Widerspruch zur Verfassung stehen. Es steht zu befürchten, dass der Spruch der Höchstrichter einige politische Akteure nicht daran hindert, im alten Stil weiterzumachen.
Als Sebastian Kurz schnippisch meinte, dass verordnete Corona-Maßnahmen vermutlich ohnehin schon außer Kraft seien, wenn sich der Verfassungsgerichtshof damit beschäftige, hat er nicht nur ein wahres Wort gesprochen, sondern eine grundsätzlich bedenkliche Mentalität gezeigt: Recht stört Macht. Mittlerweile wurde sein prophetisches Wort vom VfGH mehrfach bestätigt. Viele, man möchte sagen, die meisten der verhängten Corona-Maßnahmen waren unzulässig und haben gegen bestehende Gesetze verstoßen.
Feedback aus der Politik? Gar keines. Wenn sich jemand aus der zweiten Reihe äußert, dann heißt es nur: Es war eben Gefahr im Verzug. Punkt.
Das undurchsichtige Fördermonster
Eine der windigsten Ideen der schwarz-grünen Corona-Regierung war die COFAG. An sämtlichen staatlichen Organen vorbei hat sie bisher an die 20 Milliarden Euro verteilt. Ihr gesamtes Wirken stand zwischen massiver Kritik an ihrer Konstellation und dem geradezu geheimbündischen Verteilungsschlüssel des Geldes.
Seit der Gründung haftet ihr der Geruch an, bestimmte Bereiche der Wirtschaft massiv bevorteilt zu haben – von Großunternehmen bis zu Hotellerie und Gastronomie. Ein Schelm, der dahinter politische Weisungen vermutet.
Daneben verursachte das von der COFAG entwickelte FörderungsRegelwerk eine bereits in ihren ersten Tagen evidente Spaltung der Antragsteller. Wer einen fähigen Steuerberater hatte, kam rasch ans Geld, wogegen Formular-Amateure lange darauf warteten.
Dass der Verfassungsgerichtshof nunmehr die Errichtung dieser Gesellschaft grundsätzlich in Frage stellt, ist nicht nur Kritik an der damaligen Regierung, es ist eine Watsch’n gegen eine arrogante Macht-Attitüde, die nach dem Motto „Whatever it takes“ handelte. Diese hätte wissen müssen, dass die Strukturen und die Kundendaten des Finanzministeriums einerseits die rasche, andererseits vor allem aber auch die gerechte(re) Zuteilung von Covid-Förderungen garantiert hätten.
Endeffekt des ganzen COFAG-Spuks: Massive Erhöhung der Staatsschulden und nachhaltige Unzufriedenheit in Teilen der Wirtschaft über die Undurchsichtigkeit und Ungerechtigkeit der ausgezahlten Förderungen.
ORF: die never ending story
Unter den Menschen, die im Jahr 2023 Programme des ORF konsumieren und dafür die gesetzlich vorgeschriebene Gebühr bezahlen sind altersgemäß nur noch wenige, die die wechselhafte Geschichte der politischen Zugriffe auf das Staatsmedium von Anfang an kennen. Auch der Begriff „ORF Volksbegehren“ ist kein Bestandteil des allgemeinen Sprachgebrauchs mehr.
Umso wichtiger, dass sich der VfGH mit seiner aktuellen Entscheidung der Selbstbedienungs-Mentalität der Politik gegenüber dem ORF widmet. Bis März 2025 müsse Schluss sein mit einer Besetzung des ORF-Stiftungs- und Publikumsrats, die einen einseitigen Einfluss auf die Zusammensetzung der kollegialen Leitungsorgane des ORF ermögliche.
Laut Höchstgericht verstößt die bisherige Praxis, dass die Regierung mit 9 entsendeten Mitgliedern mehr Stimmen als der Publikumsrat in den Stiftungsrat entsendet, gegen das Pluralismusgebot des Bundesverfassungsgesetzes Rundfunk. Kurz gesagt: Der Einfluss der Parteizentralen der jeweils aktuellen Regierung im „Aufsichtsrat“ des ORF wird kräftig beschnitten. Auch die Entscheidung, dass von den Ländern entsandte Stiftungsräte nach Wahlen und Veränderung der Mehrheitsverhältnisse künftig nicht mehr einfach ausgetauscht werden können wird jenen, die im ORF Machtinteressen verfolgen, auch nicht besonders schmecken.
Ebenfalls als unzulässig bezeichnet das Höchstgericht die momentane – im Bundeskanzleramt und im Medienministerium besorgte – Zusammensetzung des Publikumsrats: Es genüge nicht, dass dessen 17 Mitglieder 14 gesellschaftliche Gruppen repräsentieren. Und so fort… Bis 2025 hat die Regierung (welche? Die nach der nächsten Wahl?) Zeit für ein neues ORF-Gesetz.
Zu spät?
Die Beispiele COFAG und ORF zeigen die immer wieder aufblitzende Arroganz der Macht. Die Politik setzt sich ohne Bedenken über die Verfassung hinweg, die sie eigentlich kennen sollte. Der Verfassungsgerichtshof erhebt dann, mit deutlicher zeitlicher Verzögerung, die rote Karte. Da sind die COFAG-Milliarden bereits ausgegeben und da hat der ORF schon eine neue Führung bekommen. Zu spät also? Es bleibt uns nur, an die Besserungsfähigkeit und –willigkeit der Politik und ans ewige Leben des VfGH zu glauben…