„Immer wieder Pionierinnenarbeit“

 

 

 

 

 

 

 

 

ANPACKEN. Auf eine Karriere an der Universität verzichtete sie aus der Erkenntnis, eine „Praktikerin“ zu sein. Beim Psychosozialen Dienst der Stadt Wien baute sie eine 10-köpfige Rechtsabteilung auf. Seit Juni dieses Jahres ist sie beim „Grünen Kreis“, als „Landärztin“, wie sie sagt: Ingrid Jez, Juristin mit starkem Zug zum Ergebnis..

Dr. Ingrid Jez                                                                                                                                                  

 

 

Sie redet nicht einfach, sie sprudelt. In einer knappen Stunde durchquert sie ihre 46 Lebensjahre. Vieles muss ihr leicht gefallen sein. Sonst wirkte sie nicht derart frisch, nach vielen Themen, die auch nahegehen. Menschen, die gerne lernen und Positives erwarten, sehen so aus. Ingrid Jez absolvierte Grund schule und HBLA (Schwerpunkt Sprache und Wirtschaft) in ihrer Heimatstadt Wien, wo sie nach der Reifeprüfung am Juridicum inskribierte. Neben dem Studium der Rechtswissenschaften arbeitete sie bei der Patienten- und Pflegeanwaltschaft in St. Pölten: „Ich bin dort liebevoll aufgenommen worden“. Klima und Aufgabe passten zusammen. Sie lernte „die Breite der Aufgabe von der Pike auf“ und erfuhr, „wie wichtig neben dem Rechtlichen die Empathie ist“. Es folgten die Gerichtspraxis am BG Donaustadt, ein Verwaltungspraktikum beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen und dann neun Jahre (2005 bis 2014) beim VertretungsNetz – Verein für Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft und Bewohnervertretung, großteils in der Rechtsabteilung. 

 

Lebensthema Vielfalt

Mit 31 Jahren brachte sie ihren Sohn zur Welt und kehrte etwas später zurück zur Universität, von der Praxis wieder zur Theorie. Mit tiefer Dankbarkeit erinnert sie sich an ihren Doktorvater Christian Kopetzki. Seinem verlässlichen Beistand verdankt sie, wie sie sagt, dass der Abschluss der Arbeit gelang. Die Beschäftigung mit dem Thema „Die medizinische Behandlung von Asylbewerberinnen und -bewerbern“ sei einem „Pudding-an-die Wand- nageln“ vergleichbar gewesen. Mit 36 hörte sie manchmal, sie sei doch eine „relativ alte Universitätsassistentin“. „Ich habe auch gemerkt, dass ich mehr Praktikerin bin“. Erfolgreich bewarb sie sich beim Psychosozialen Dienst, der Sucht und Drogen-Koordination der Stadt Wien, mit rund 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Aufgabe: Aufbau einer Rechtsabteilung. Inzwischen arbeiten dort mehr als 10 Leute. Ein sehr breites juristisches Arbeitsfeld war zu beackern: Suchtmittelrecht, Berufsrecht für Ärzte, Psychologen, Therapeuten und Pflegekräfte, Datenschutz, Arbeitsrecht, Kooperationsverträge… Dank universitärer Expertise tat sich Ingrid Jez relativ leicht, an der Unterbringungsgesetz-Novelle mitzuarbeiten, die sie später auch in Schulungen und Informationsveranstaltungen erklärte. "Vorträge machen mir viel Spaß“ sagt sie voller Begeisterung. Auf dem Kalender ihrer Informationstätigkeit stehen die Donau-Uni Krems, die Fachhochschule Eisenstadt oder die Universität Wien, wo sie beispielsweise das Thema „Digitale Gesundheitsanwendung“ behandelt. Wenn der gut getaktete Arbeits- und Familienrhythmus (der Sohn ist mittlerweile fast 15) noch Zeit lässt, dann schreibt sie. Nicht nur Wissenschaftliches, sondern – man staune – einen Krimi. Dieser spielt, so viel sei verraten, im „universitären Umfeld“.

 

„Grüner Kreis, Verein zur Rehabilitation und Integration suchtkranker Menschen“

Seit Juni dieses Jahres steckt Ingrid Jez in ihrer nächsten Pionierinnenarbeit. Beim „Verein Grüner Kreis“ ist sie für die gesamte juristische Arbeit zuständig. Der vor 40 Jahren gegründete private Verein mit rund 240 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bietet medizinische Betreuung, Psychotherapie und soziale Arbeit für Menschen mit Suchtproblemen. Die Zentrale befindet sich an der Landesgrenze zwischen Niederösterreich und Steiermark, in Mönichkirchen. Patientinnen und Patienten kommen aus ganz Österreich hierher. Es sind Selbstzahler, von ihrem Bundesland geförderte Personen oder Strafentlassene, deren Be handlungskosten die Justiz übernimmt. Der „Grüne Kreis“ genießt den Ruf eines „hochschwelligen Angebots“, also hoher therapeutischer und empathischer Qualität. Neben der Zentrale in der Buckligen Welt werden noch zwei Ambulatorien in Wien sowie Behandlungseinrichtungen im ländlichen Bereich betrieben, insgesamt 8 stationäre und 6 ambulante Einrichtungen in ganz Österreich. Für Mütter und Kinder, die im Banne eines Suchtproblems stehen, bietet das „Hotel Binder“ in Mönichkirchen weitum anerkannte und geschätzte Therapien im Alkohol-, illegale Substanzen- und Medikamenten-Bereich. "Ich bin hier die Landärztin“ sagt Ingrid Jez lachend. Damit meint sie die breite Palette ihrer juristischen Herausforderungen. Direkt der Geschäftsführung unterstellt hat sie „das Gefühl, etwas bewirken zu können. In der ersten Phase gehe es aktuell darum, „Strukturen zu schaffen“. Dies gelinge umso leichter, als man sie als Juristin „als Teil der therapeutischen Gemeinschaft“ sehe. Sie stehe momentan in der „Honeymoon-Phase“. Sie lacht wieder. Das weitere Gelingen ist greifbar.