Wiederwahl. Seit dem letzten Brief aus New York wurde Präsident Donald Trump bekanntlich wiedergewählt um im kommenden Jänner als dann 47. Präsident der Vereinigten Staaten angelobt zu werden. In seinem Wahlkampf machte Trump eine Vielzahl von Versprechungen für zum Teil drastische Neuausrichtungen in der US-Politik. Die Ankündigung Millionen von Einwanderern, die ohne gültige Papiere in den USA leben zwangsweise abzuschieben, sticht aber sogar aus dieser Liste noch heraus.
Stephen M. Harnik, Esq., New York
Wie er dieses Vorhaben in seiner Amtszeit praktisch umsetzen will, ist freilich noch unklar. Trump und sein Team haben allerdings schon mehrere Ideen vorgebracht, unter anderem die Einsetzung des Militärs und der Nationalgarde unter Anwendung bestehender Gesetze wie der Alien and Sedition Acts von 1798 und/oder des National Emergencies Act.
Einwanderung: Eine Angelegenheit der Bundesregierung
Die Einwanderungspolitik in den Vereinigten Staaten war schon immer ein umstrittenes Thema, wobei diese auf Basis der Supremacy Clause (Artikel VI, Klausel 2 der US-Verfassung) und der aufgezählten Befugnisse des Kongresses (Artikel I, Abschnitt 8) ausschließlich in die Kompetenz des Bundes fällt, womit ein kohärenter und national einheitlicher Rahmen gewährleistet werden soll. Dieses Prinzip wurde von der Rechtsprechung wiederholt bestätigt. In Chy Lung v. Freeman (1875) hat der Oberste Gerichtshof die restriktive und diskriminierende Politik Kaliforniens gegenüber chinesischen Einwanderern für ungültig erklärt und damit die Bedeutung der bundeseinheitlichen Aufsicht in Einwanderungsfragen unterstrichen. Das Gericht erkannte an, dass fragmentierte einzelstaatliche Maßnahmen die internationalen Beziehungen stören würden, und damit in einen Bereich eingreifen würden, der ausschließlich den Bundesbehörden vorbehalten ist. In jüngerer Zeit wurden in Arizona v. United States (2012) wichtige Bestimmungen des sogenannten „SB 1070“ von Arizona für ungültig erklärt, einem einzelstaatlichen Gesetz, mit dem versucht wurde, eigene Einwanderungsmaßnahmen unter Missachtung der Bundesgesetze durchzusetzen. Der Supreme Court bekräftigte, dass Staaten keine Gesetze in Bereichen erlassen können, in denen das Bundesrecht Vorrang hat, und bestätigte die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes in Eiwanderungsfragen. Der Immigration and Nationality Act (INA) wurde bereits 1952 erlassen, bildet aber nach wie vor die gesetzliche Grundlage für das Einwanderungsrecht. Trotz dieses klaren verfassungsrechtlichen Rahmens ist die Durchsetzung der Einwanderungsgesetze oft geradezu zu einem politischen Schlachtfeld mutiert, auf dem der Vorrang des Bundes durch legislative und exekutive Maßnahmen der Bundesstaaten in Frage gestellt wird. Diese Dynamik war auch in jüngster Zeit während der ersten Amtszeit von Trump sowie während der aktuellen Amtszeit von Präsident Biden zu beobachten.
Einwanderung unter Trumps erster Amtszeit
Eine der umstrittensten Initiativen Trumps war seine Erklärung des nationalen Notstands im Jahr 2019, damit 3,6 Milliarden US-Dollar an Militärmitteln für den Bau von Grenzmauern umgewidmet werden konnten, nachdem der Kongress die Mittelzuweisungen eingeschränkt hatte. Dieser Schritt wurde zwar vorübergehend von den Gerichten gebilligt, zog jedoch erhebliche rechtliche Schwierigkeiten nach sich, wie z.B. in Sierra Club v. Trump, in dem die Reichweite der Befugnisse des Präsidenten nach dem National Emergencies Act in Frage gestellt wurde. Ein weiterer Streitpunkt war die Executive Order 13769, welche umgangssprachlich als „Muslim Ban“ bekannt wurde, mit der die Einreise aus mehreren Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit untersagt wurde. Kritiker argumentierten, dass die Anordnung gegen die Verfassungsartikel über „Establishment“ und „Equal Protection“ verstoße. Der Oberste Gerichtshof bestätigte schließlich eine überarbeitete Version in Trump v. Hawaii (2018) und räumte der Exekutive in Fragen der nationalen Sicherheit weitreichende Befugnisse ein. Eine dritte wichtige Maßnahme, die Migrant Protection Protocols (MPP), verpflichtete Asylbewerber, während der Bearbeitung ihrer Anträge in Mexiko zu bleiben. Während Befürworter behaupteten, dass dies den Missbrauch des Asylsystems eindämmen würde, verurteilten Kritiker dies als Verstoß gegen den internationalen Flüchtlingsschutz wegen unmenschlicher Bedingungen, Trennung von Familien und Hindernissen für den Rechtsweg.
Einwanderung unter Biden
Die Regierung von Präsident Joe Biden versuchte viele der Maßnahmen von Trump rückgängig zu machen, und legte dabei den Schwerpunkt auf eine humane Behandlung und Gesetzesreformen. Diese Bemühungen stießen jedoch sowohl in der Legislative als auch in der Rechtsprechung auf erheblichen Widerstand. Ende 2023 setzte sich Biden für den U.S. Immigration Modernization and Security Act von 2024 ein, ein ehrgeiziger Versuch, Grenzsicherheit und menschliche Reformen in Einklang zu bringen. Der Gesetzesentwurf sah einen achtjährigen Weg zur Staatsbürgerschaft für Einwanderer ohne Papiere, insbesondere DACA-Empfänger , vor, dies unter der Voraussetzung der Überprüfung der persönlichen Verhältnisse sowie Einhaltung der Steuerpflichten. Der Entwurf sah außerdem eine verbesserte Grenzsicherheit durch Investitionen in Überwachungstechnologien und eine Aufstockung des Personals der Zoll- und Grenzschutzbehörde sowie Maßnahmen zum Abbau von Rückständen bei Asylanträgen vor. Darüber hinaus wurde vorgeschlagen, die Möglichkeit von Arbeitsvisa für landwirtschaftliche Tätigkeiten zu erweitern, um dem Arbeitskräftemangel in diesem Bereich entgegenzuwirken. Trotz der überparteilichen Zugeständnisse und Kompromisse brachten die Republikaner den Gesetzesentwurf zum Scheitern (größtenteils auf Geheiß von Trump), und verunglimpften diesen Weg zur Staatsbürgerschaft als „Amnestie“. Durch das Scheitern des Gesetzesentwurfs blieb Bidens Einwanderungsagenda weitgehend unerfüllt. Dies trug signifikant dazu bei, dass sich die Spannungen zwischen der Bundesregierung und Bundesstaaten wie Texas (welcher zum Brennpunkstaat dieses Konflikts wurde) weiter vertieften.
Unter Gouverneur Greg Abbott ergriff Texas einseitige Maßnahmen, die oft mit der Bundeskompetenz kollidierten, darunter die Operation Lone Star, bei der staatliche Ressourcen wie die Nationalgarde eingesetzt wurden, um die Grenze zu patrouillieren, Migranten festzunehmen und physische Barrieren wie schwimmende Bojen im Rio Grande zu errichten. Diese Maßnahmen behinderten Bundesbeamte und warfen erhebliche verfassungsrechtliche Fragen im Rahmen der Supremacy Clause auf. Texas leitete auch zahlreiche Klagen gegen die Biden-Regierun ein, darunter auch Klagen gegen die Beendigung des oben erwähnten MPP. Nachdem der Oberste Gerichtshof in Texas v. Biden (2022) die Beendigung des Programms letztendlich erlaubte, verzögerten die von den Bundesstaaten geführten Rechtsstreitigkeiten die Umsetzung und verdeutlichten die Zerrissenheit bei der Durchsetzung der Einwanderungsgesetze.
Aggressiver Ansatz signalisiert
Angesichts der baldigen Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus hat sein zukünftiges Regierungsteam bereits einen aggressiven Ansatz bei der Durchsetzung der Einwanderungsgesetze signalisiert und die Anwendung von an sich als veraltet geltenden Bestimmungen wie die besagten Alien and Sedition Acts von 1798 und National Emergencies Act in Aussicht gestellt. Der Alien Enemies Act (eines der vier Gesetze, die zusammen als Alien and Sedition Acts von 1798 bekannt sind) ist technisch gesehen immer noch in Kraft und ermächtigt den Präsidenten Nichtstaatsangehörige aus Ländern, die in Kriegszeiten oder bei einem nationalen Notstand als feindlich eingestuft werden, festzunehmen oder abzuschieben. Historisch gesehen wurde dieses Gesetz angewendet, um die Internierung von japanischstämmigen Amerikanern während des Zweiten Weltkriegs zu rechtfertigen, eine Maßnahme, die vom Obersten Gerichtshof in Korematsu v. United States (1944) als rechtmäßig anerkannt wurde. Korematsu gilt weithin als eine der schlimmsten Entscheidungen in der Geschichte des Gerichts und bestätigte die Zwangsumsiedlung und Inhaftierung von über 120.000 japanischstämmigen Personen – zwei Drittel davon waren US-Bürger – unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit. Richter Hugo Black, der das Urteil der Mehrheit verfasste, behauptete, die Politik beruhe nicht auf Rassendiskriminierung, sondern sei eine militärische Notwendigkeit. Diese Begründung wurde danach sowohl von Rechtswissenschaftlern als auch in späteren Gerichtsentscheidungen scharf kritisiert. Obwohl Korematsu 2018 vom Obersten Gerichtshof offiziell als „am Tag der Entscheidung schwerwiegend falsch“ kritisiert wurde, gilt sein Vermächtnis als warnendes Beispiel dafür, dass die Justiz in Krisenzeiten nicht in der Lage ist, Übergriffe der Exekutive zu kontrollieren, von großer Bedeutung. Trotz der kontroversiellen Geschichte dieser Gesetze könnte Trump aber nun versuchen, sich auf eine Bedrohung für die nationale Sicherheit durch illegale Einwanderung zu berufen, und so ein militärisches Eingreifen bei Inhaftierungen und Abschiebungen zu rechtfertigen. Ein solcher Schritt würde freilich auf eine Reihe rechtlicher Hindernisse stoßen, angefangen mit der Garantie eines ordnungsgemäßen Verfahrens im fünften Zusatzartikel, die nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung auch für Nicht-Staatsbürger auf US-amerikanischem Boden gilt. Jeder Versuch, das detailliert geregelte Abschiebeverfahren nach INA zu umgehen, würde auch aus rechtlichen Gründen sofort auf Schwierigkeiten stoßen. Weiter hat Trump auch angedeutet, dass er sich auf den National Emergencies Act berufen will, um die Einwanderung zum Notfall zu erklären, was wiederum den Einsatz des Militärs oder die Einrichtung von Bundeshaftanstalten ermöglichen würde. Solche Maßnahmen würden jedoch voraussichtlich gegen den Posse Comitatus Act von 1878 verstoßen, der den Einsatz des Militärs bei inländischen Strafverfolgungsmaßnahmen verbietet, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor, die vom Kongress ausdrücklich genehmigt wurden. Trump könnte argumentieren, dass der Insurrection Act, der den Präsidenten dazu ermächtigt, in bestimmten Situationen Streitkräfte innerhalb der Vereinigten Staaten einzusetzen, um Aufstände oder häusliche Gewalt zu unterdrücken oder das Gesetz durchzusetzen, einen ausreichenden Spielraum für den Einsatz des Militärs bietet, aber die Gerichte würden mit ziemlicher Sicherheit überzeugende Beweise für einen tatsächlichen Aufstand oder einen ähnlichen Notfall verlangen – ein Standard, den die bloße Durchsetzung der Einwanderungsgesetze nicht erfüllt. Kritiker würden wahrscheinlich auch die Einstufung der Einwanderung als „Notfall“ im Rahmen des NEA in Frage stellen, da das Gesetz in der Vergangenheit ausschließlich auf unmittelbare Krisenfälle wie Naturkatastrophen oder Terrorakte angewendet wurde. Gegen diese Maßnahmen würde es also schnell und energisch rechtliche Gegenwehr geben. Bürgerrechtsorganisationen würden wohl sofort Klagen einreichen, in denen sie argumentieren, dass solche Maßnahmen gegen verfassungsrechtliche Schutzbestimmungen verstoßen, darunter die Schutzklauseln des vierten Verfassungszusatzes gegen unangemessene Durchsuchungen und Beschlagnahmen und die Gleichbehandlungsklausel des vierzehnten Verfassungszusatzes. Die Gerichte waren in der Vergangenheit eher zurückhaltend, wenn es darum ging, eine extensive Auslegung der Exekutivgewalt im Bereich der Einwanderung zuzulassen, wie die Urteile gegen Trumps Grenzmauerfinanzierung von 2019 und gegen manche Aspekte seiner Einreiseverbote belegen. Eine Rückkehr zu ähnlich aggressiven Maßnahmen würde diese Konflikte mit hoher Wahrscheinlichkeit neu entfachen, wobei nicht weniger als das Gleichgewicht der Macht zwischen den staatlichen Gewalten auf dem Spiel stünde.
Die polarisierte US-Einwanderungspolitik spiegelt ein komplexes Tauziehen zwischen Bundeskompetenz, Widerstand der Bundesstaaten und Interventionen der Exekutive wider. Da Trump seine Bereitschaft signalisiert, die Grenzen der Exekutivgewalt auszutesten, werden die Gerichte und der öffentliche Diskurs eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Zukunft der Einwanderung in die USA spielen.
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Ich möchte Nicholas M. Harnik für seinen wertvollen Beitrag zu den Recherchen für diesen Brief danken.