NEUER DEKAN. Seit 1. November des Jahres ist Martin Auer neuer Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Salzburg. Im Gespräch mit dem Unternehmensrechtler geht es um den Bedarf an juristischem Nachwuchs, um Ausbildung in Zeiten der Künstlichen Intelligenz, um das fehlende Konzernrecht und die Stimmung in der österreichischen Wirtschaft
Mag. Dr. Auer Martin
Anwalt Aktuell: Herr Professor Auer, was hat sich im Rechtsstudium seit jener Zeit, als Sie noch Student waren, geändert?
Martin Auer: Die markantesten Entwicklungen sind sicher der zunehmende Einsatz der Rechtsdatenbanken, die stärkere Diskursivität des Studiums und die wesentlich intensivierte Zusammenarbeit mit der Praxis, um eine optimale Vorbereitung auf das Berufsleben zu bieten.
Anwalt Aktuell: Als Unternehmensrechtler kommen Sie viel auch ins nichtakademische Wirtschaftsleben hinaus. Welchen Stellenwert genießt dort das Rechtsstudium, sei es in der Form des Anwalts oder in der Funktion des Unternehmensjuristen?
Martin Auer: Ich würde sagen: ein sehr hohes Ansehen, auch deshalb, weil Entscheidungsträger immer öfter auch mit Haftungsfragen konfrontiert werden und gerade vor diesem Hintergrund erkannt wird, dass Unternehmensrechtler oder Juristen ganz generell nicht nur Verhinderer sind, sondern zum Schutze der Organe beitragen.
Anwalt Aktuell: Sicher werden Sie, nicht nur in Ihrer Funktion als Dekan, immer wieder gefragt, ob es Sinn hat, Rechtswissenschaften zu studieren. Gibt es ausreichend Perspektive für Absolventen?
Martin Auer: Perspektive ist auf jeden Fall gegeben. Man erinnere sich an das alte Sprichwort: „Menschen werden immer krank und streiten immer“. Somit sind Ärzte und Juristen gleichermaßen gefragt. Doch Spaß beiseite. Jenseits auch von Entwicklungen wie „legal tech“ bleibt eine handfeste juristische Beratung das Um und Auf, gleich für welche Lebenslage.
Anwalt Aktuell: Das klingt alles schön strukturiert. Um beim Volksmund zu bleiben, gibt es aber auch das Sprichwort „Ich geh Jus studieren, weil mir nichts Besseres einfällt“. Das haben Sie sicher auch schon gehört?
Martin Auer: Ich sehe das nicht so. Der heutigen Jugend stehen alle Möglichkeiten offen. Schaut man sich die demographische Entwicklung an, sieht man ganz klar, wie sehr wir junge Juristinnen und Juristen brauchen. Der Bedarf sowohl in der Wirtschaft wie auch in der Justiz, in den Rechtsanwaltskanzleien und in der öffentlichen Verwaltung steigt ständig. Und die Personalressourcen sind knapp. Vor diesem Hintergrund mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Wenn jemand sagt „mir fällt nichts Besseres ein“, dann kann er ja durchaus einmal mit dem Rechtsstudium beginnen. Hoffentlich leckt er oder sie dann Blut, und sieht, was für ein schöner Beruf das ist.
Anwalt Aktuell: Eines der Themen, das massiv ins Berufsbild des Juristen eindringt, ist die Künstliche Intelligenz. Wie geht man damit in der universitären Lehre um?
Martin Auer: In der Lehre haben wir natürlich einerseits ein Thema mit der Qualitätssicherung von Abschlussarbeiten. Hier sind wir mit entsprechenden technischen Hilfsmitteln und Software ausgestattet, um Qualitätsstandards und Eigenschriftlichkeit der Arbeiten abzusichern. Auf der anderen Seite gehen wir sehr offen an die neuen Möglichkeiten heran. Wir bauen die Künstliche Intelligenz nach Möglichkeit in den Studienplan ein, da sich durch dieses Instrument auch neue Rechtsfragen ergeben. Ich bin überzeugt, dass Juristinnen und Juristen Fantasie brauchen. Diese Fantasie bietet die KI eben derzeit noch nicht, da sie auf Elementen aufbaut, die es irgendwann schon einmal gegeben hat. Auch von daher sehe ich keine Gefahr für unser Berufsbild.
Anwalt Aktuell: Obwohl Österreich ein kleines Land ist, gibt es unter den wenigen Fakultäten für Rechtswissenschaften doch ein Konkurrenzverhältnis. Wie sehen Sie Salzburg in einem Ranking?
Martin Auer: Da sehe ich die Universität Salzburg, insbesondere was die Kombination von Recht und Wirtschaft betrifft, sehr gut aufgestellt. Natürlich sind wir im Vergleich zu den Großen eine kleine, überschaubare Fakultät. Darin sehe ich aber auch unseren besonderen Vorteil. Durch den direkten Kontakt zu den Studentinnen und Studenten können wir die Beantwortung von Verständnisfragen und anderer Anliegen auf kurzem Wege anbieten. Es hängt auch sehr viel von der Motivation der Studierenden ab. Wie auch die Fakultäten in anderen Städten bieten wir viel an. Das Angebot muss allerdings angenommen werden.
Anwalt Aktuell: Bieten Sie spezielle motivatorische Elemente an?
Martin Auer: Das Studium ist viel mehr als die Absolvierung von Pflichtveranstaltungen und Prüfungen. Wir bieten über das klassische Studium hinaus Kooperationen mit der Anwaltschaft und der Wirtschaft an. Dieser Blick über den Tellerrand kann Perspektiven für den ersten Arbeitsplatz oder einen künftigen Karriereweg öffnen. Daneben bieten wir für die fünf Prozent unserer Top-Studierenden zusätzlich das Programm „Excellent Talents“ an, an dessen Ende der Schnupperzugang zu hochwertigen und hochinteressanten Arbeitsplätzen in Justiz, Verwaltung und Wirtschaft steht.
Anwalt Aktuell: Sie sehen sich also nicht ausschließlich als Lern- und Prüfungsstelle?
Martin Auer: Völlig klar. Universität steht für ein gesamtheitliches Bildungsangebot. Gerade für das Diplomstudium liegt es im ureigensten Interesse, ein Wertegefüge vor dem Hintergrund einer Rechtsordnung zu vermitteln.
Anwalt Aktuell: Momentan gibt es keine Aufnahmeprüfungen für das Studium der Rechtswissenschaften. Dafür gibt es aber eine beträchtliche Drop-Out-Quote speziell in der Anfangsphase de Studiums. Fehlt es da an guter grundsätzlicher Information für Studienanfänger?
Martin Auer: Schwierige Frage. Ich bin überzeugt und froh, dass es einen freien Studienzugang gibt. Die Orientierungsphase hilft den Studierenden zu erkennen, ob sie persönlich für dieses Studium geeignet sind. Es ist klar, dass hier andere Anforderungen gestellt werden als in der Mittelschule. Das dient aber schließlich und endlich zur Vorbereitung auf das Arbeitsleben. Lieber ein frühes Drop-Out als ein Studium, das nicht zum Abschluss kommt.
Anwalt Aktuell: Am Ende der üblichen Ausbildung in den Rechtswissenschaften sind die meisten Absolventinnen und Absolventen ziemlich ahnungslos, was wirtschaftliche Themen betrifft. Stichwort etwa: das Betreiben einer eigenen Kanzlei. Sollte da nicht eine bessere Vorbereitung im Laufe des Studiums stattfinden?
Martin Auer: Ich glaub, da hat sich schon einiges geändert. Wer bei uns bei der Prüfung für Unternehmensrecht durchkommt, kann mittlerweile eine Bilanz lesen. Der große Vorteil der Salzburger Rechts- und Wirtschafts-Fakultät besteht darin, dass wir neben dem Diplomstudium Rechtswissenschaften auch das Bachlor-Studium Recht und Wirtschaft anbieten. Zwischen den beiden Studien besteht eine hohe Anrechnungsquote. Es belegen nicht wenige unserer Studentinnen und Studenten beide Studien parallel, um die deutlich breitere – auch wirtschaftliche – Angebotspalette zu nützen.
Anwalt Aktuell: Nun noch Fragen an den Rechtswissenschaftler. Rund um die Causa Signa war immer wieder zu hören, das österreichische Unternehmensrecht sei nicht geeignet, Konzernstrukturen à la Signa zu verhindern. Wie sehen Sie das?
Martin Auer: Österreich hat kein Konzernrecht wie beispielsweise Deutschland. Ob man Konzernstrukturen wie bei Signa verhindern soll, ist eine andere Frage, weil es letztendlich immer darum geht, wie ein Konzern verwaltet wird. Das hängt nicht von der Struktur ab.
Anwalt Aktuell: Sollte man das deutsche Konzernrecht gegebenenfalls für Österreich übernehmen?
Martin Auer: Es hat solche Bestrebungen bereits gegeben. Ob man das deutsche Konzernrecht eins zu eins für Österreich übernehmen sollte, bedarf sicher näherer Überlegungen.
Anwalt Aktuell: Grundsätzlich gefragt: Haben wir in Österreich ein zeitgemäßes Unternehmensrecht?
Martin Auer: Ich finde, dass wir in Österreich durchaus ein zeitgemäßes Unternehmensrecht haben. Wenn man sich allerdings die neuesten Entwicklungen anschaut, fragt man sich schon, ob man die „FlexCo“ nicht gleich in das GmbH-Gesetz integrieren hätte können.
Anwalt Aktuell: Seit dem 1. Jänner dieses Jahres gibt es die besagte „FlexCo“. Wird damit eine vorherige Lücke geschlossen oder ist das nur eine andere Art der GmbH?
Martin Auer: Grundsätzlich ist es eine GmbH. Im Gesetzgebungsprozess ist ganz massiv dafür eingetreten worden, dass die neue Form insbesondere für Start-Ups, internationale Investoren und zur Ermöglichung von Mitarbeiterbeteiligung nützlich sein soll. Die Praxis wird zeigen, ob hier eine Lücke geschlossen wird.
Anwalt Aktuell: Sie sind nicht nur als Universitätslehrer tätig, sondern oft auch in der Wirtschaft draußen. Was für eine Stimmung nehmen Sie aktuell wahr?
Martin Auer: Ich glaube, das muss man differenziert sehen. Ganz generell hat man zwischen den Unternehmensergebnissen und der herrschenden Stimmung zu unterscheiden. Die Stimmung ist nicht sonderlich gut.
Anwalt Aktuell: Hat eine neue Regierung da viel zu tun?
Martin Auer: Eine neue Regierung sollte vor allem entsprechende Maßnahmen setzen, um das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Österreich wieder zu stärken.
Anwalt Aktuell: Herr Professor Auer, danke für das Gespräch.
Innenhof des „Toscana-Trakts“ der Universität Salzburg; Fakultät für Rechtswissenschaften