Der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 bedeutete für viele österreichische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte das Ende ihrer beruflichen Tätigkeit. Am 13. März 1938 waren in die Liste der Rechtsanwaltskammer in Wien 2.541 Anwälte eingetragen, am 31. Dezember 1938 waren es nur mehr 771.

Das Buch Advokaten 1938 zeichnet die Geschichte der Österreichischen Anwaltschaft unter der NS-Herrschaft aus dem Blickwinkel der persönlichen Schicksale der verfolgten und entrechteten österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwaltsanwärter auf. Es ist zugleich Gedenkschrift und kritische Auseinandersetzung mit der österreichischen Anwaltsgeschichte 1938–1945. Ganz bewusst wurde die im Mai 2022 erschienene zweite und auf vielen neuen Recherchen basierende und daher erweiterte Auflage in englischer Sprache herausgegeben. Mit den gezielten Verfolgungen von Rechtsanwält:innen, die sich heute in vielen Staaten der Welt für Menschenrechte gegen ihre Regierungen stellen und  damit nicht nur unmenschliches sondern vor allem undemokratisches Handeln aufzeigen, gewinnt Advokaten 1938 eine wichtige weitere Dimension: Es darf nicht passieren, dass Menschen wegen ihrer Gesinnung oder ihrer Herkunft diskriminiert und verurteilt werden.

Mit besonderer Unterstützung des Österreichischen Kulturforums fand am 7. März 2024 in Midtown Manhattan eine Präsentation der zweiten Auflage von Advokaten 1938 statt. Die Direktorin des Österreichischen Kulturforums, Frau Dr. Susanne Keppler-Schlesinger eröffnete mit sehr berührenden Worten die Veranstaltung in den beeindruckenden Räumlichkeiten des Österreichischen Kulturforums, das von dem in Österreich geborenen New Yorker Architekten Raimund Abraham geplant wurde. Die österreichische Justizministerin Dr. Alma Zadic betonte in ihrer Grußbotschaft, wie wichtig es ist, dass Advokaten 1938 nun auch in englischer Sprache einem breiten Publikum auf der Welt zugänglich ist: „Vor allem fachlich profunde und breit zugängliche Recherche verbunden mit politischer Bildung sind der wesentliche Grundstein, um die Geschichte in ihrem negativsten Sinn nicht zu wiederholen sondern von ihr zu lernen.“ Die Generalkonsulin des Österreichischen Generalkonsulates in New York, Mag. Helene Steinhäusl, verwies in ihrer Ansprache auch auf das seit September 2020 geltende neue Staatsbürgerschaftsrecht, das Nach- kommen von geflohenen NS-Opfern die Möglichkeit einräumt, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Über 25.000 Personen aus aller Welt haben von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht. Beim Durchblättern von Advokaten 1938 erkannte sie, dass vielfach Enkelkinder und Urenkel von verfolgten Rechtsanwält:innen und Rechtsanwaltsanwärter:innen auch Antragsteller:innen sind. Die österreichische Anwaltschaft war durch den Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Rechtsanwalt Dr. Armenak Utudijan in New York vertreten. Ihm war es besonders wichtig, dass die zweite erweiterte Auflage des Buches Advokaten 1938 nicht nur die Rolle eines jeden Opfers grundlegend erschlossen hat, sondern auch die Hintergründe und damit auch die Rolle der damals handelnden Kammervertreter aufgedeckt hat. In ganz besonders freundlicher Weise dankte er der anwesenden Rechtsanwältin Dr. Alix Frank-Thomasser, ohne deren jahrelanges und intensives Engagement das Buch Advokaten 1938 weder in der ersten noch in der zweiten Auflage je zustandegekommen wäre. Die Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des National- sozialismus, Prof. Mag. Hannah M. Lessing erläuterte zunächst, dass der Nationalfonds seit 1996 neben seinem eigentlichen Projektziel, der Unterstützung der überlebenden Opfer des Nationialsozialismus, auch Projekte fördert, die sich mit dem „Lernen aus der Geschichte“ beschäftigen. Sie sprach sowohl zu den Motiven, warum für den Nationalfonds die Unterstützung von Advokaten 1938 so besonders wichtig war und warum die Forschung und das Buch für sie persönlich eine ganz besondere Bedeutung haben: „Das Buch gewinnt vor allem auch vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse in Israel große Bedeutung. Der heutige 7. März markiert den Ablauf von genau fünf Monaten nach dem 7. Oktober 2023, als die Terrorgruppe Hamas israelische Bürger massakriert, getötet und verschleppt hat.“ Das Buch Advokaten 1938 ist aus ihrer Sicht auch von ganz besonderer Bedeutung für die Rechtsanwaltschaft: „Der Rechtsanwaltsberuf ist ganz besonders mit der Verantwortung verbunden, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden: „Gerade die Rechtsanwaltschaft kann daher rechtzeitig als Korrektiv, ob rechtspolitisch oder in Judikatur, Schrifttum oder Lehre, auftreten.“ Wie wichtig eine Aufarbeitung der Geschichte wie Advokaten 1938 für die NS-Opfer und deren Nachkommen ist, schilderte sie sehr einprägsam am Beispiel ihrer eigenen Familiengeschichte. Dr. Alix Frank-Thomasser, Rechtsanwältin und Obfrau des Herausgebervereines von Advokaten 1938 beleuchtete an Hand eines Schreibens eines betroffenen deutschen Rechtsanwaltes aus 1933 an das Sächsische Justizministerium in Dresden sehr eindrücklich die Gefühle der Verfolgten, als er oder sie in Österreich kurz nach März 1938 die Nachricht erhielt, nicht mehr im Anwaltsberuf praktizieren zu dürfen oder die Ausbildung erfolglos beenden zu müssen. Univ.-Prof. Dr. Ilse Reiter-Zatloukal konzentrierte die eigentliche Präsentation der zweiten Auflage von Advokaten 1938 auf die Ergebnisse der umfangreichen Forschungen und Ausführungen ihrer Mitautorin Dr. Barbara Sauer und auf den politischen Hintergrund der Verfolgungen im Nationalsozialismus, die bezogen auf den Antisemitismus schon im ausgehenden 19. Jahrhundert reichlich an Nährboden fanden.

Die New York Buchpräsentation von Advokaten 1938 ist seit kurzem auch online auf youtube unter Advokaten 1938 – A Book Presentation (https://www.youtube.com/watch?v=RbIdFum1kBE) verfügbar.