„Wir sind der Ansicht, dass der Content ,der King‘ ist“

JUBILÄUM UND VORSCHAU. Der Verlag MANZ ist 175 Jahre alt. Geschäftsführerin Susanne Stein-Pressl schaut in fünfter Generation auf die bewegte Geschichte des Hauses zurück. Die wesentliche Konstante, meint sie, war und ist die Innovation.

Interview: Dietmar Dworschak

Anwalt Aktuell: Frau Magister Stein-Pressl, was war denn vor 175 Jahren Anlass, den MANZ-Verlag zu gründen?

 

Susanne Stein-Pressl: Nach den revolutionären Ereignissen 1848, als sich die Rechtsstaatlichkeit zu entwickeln begann, wurde gedruckte Rechtsinformation zunehmend wichtig. Das begann bei MANZ bereits mit Kommentaren, aber auch mit schlichten Formularsammlungen für Anwälte. Die Bedeutung des Produkts Rechtsinformation hat sich jedenfalls bis heute gehalten.

 

Anwalt Aktuell: Wie kann man sich die Gründungssituation 1849 vorstellen, auch personell?

 

Susanne Stein-Pressl: Mein Ururgroßvater ist für einen Leipziger Verleger nach Wien gegangen, da Wien damals schon ein wichtiges Zentrum war. Ohne die Druckerei des Stammhauses in Leipzig hat das Verlegen damals nicht funktioniert. Der Zweitsitz in Wien hat sich immer mehr ins Juristische hinein entwickelt, obwohl mein Ururgroßvater eigentlich eine Deutsch-Grammatik geschrieben hatte. Das wiederum führte später dazu, dass MANZ auch Schulbücher gemacht hat. 1902 wurde dann im fünften Bezirk in Wien eine eigene Druckerei gebaut, die dann fast 100 Jahre für uns wichtig war, bis wir sie 2001 verkauft haben. Stattdessen haben wir das Unternehmen um unsere IT Tochter MANZ Solutions erweitert, die für uns die Software-Entwicklung besorgt.

 

Anwalt Aktuell: Das gebundene Rechtsnachschlagewerk wird es wohl noch eine Weile lang geben?

 

Susanne Stein-Pressl: Natürlich. Nur ist die Druckleistung mittlerweile viel leichter einkaufbar als 1901. Dagegen ist der Einkauf guter Software-Leistung immer noch schwierig.

 

Anwalt Aktuell: In welchem Verhältnis stehen im Jubiläumsjahr 2024 das gedruckte und das digitale Werk?

 

Susanne Stein-Pressl: 60 Prozent digital zu 40 Prozent Druck.

 

Anwalt Aktuell: Wie funktioniert die charakteristische dunkelrote Farbe in der digitalen Welt?

 

Susanne Stein-Pressl: Am Bildschirm geht das natürlich nicht in dieser Dominanz, weil man es sonst nur schwer lesen könnte. Neben der Farbe erkennt man uns aber auch am Logo und am Qualitätsanspruch. Der Content, den wir veröffentlichen, ist ja gedruckt und digital der gleiche. Es geht heute mehr um den Zugang, und wie schnell sich dieser verändert.

 

Anwalt Aktuell: Wie sieht denn heute die Tätigkeit der Verlegerin aus? Wie verhalten sich Auswahl von Inhalten zur Organisation der immer digitaleren Umsetzung?

 

Susanne Stein-Pressl: Ich würde sagen „halbe, halbe“. Bei MANZ sind wir der Ansicht, dass der Content „der King“ ist und den wichtigen Mehrwert schafft. Diesen Content haben wir. Rechtzeitig zum Jubiläumsjahr ist ein neuer Zivilprozesskommentar von Kodek/Oberhammer erschienen, der allen RdB-Kunden als Goodie online kostenlos zur Verfügung steht. Wir haben eine neue Digital-Plattform namens „Niu – Nachhaltigkeit im Unternehmen“ gegründet, die im Jubiläumsjahr auch gratis zur Verfügung steht. Wir sehen hier enormen Informationsbedarf in der Zielgruppe der Nachhaltigkeitsmanagerinnen und -manager und möchten mit unserem Angebot einen „One Stop Shop“ qualitativer Fachinformation rund um das Thema bieten.

 

Anwalt Aktuell: Gibt es in Ihrem großen Verlagshaus eine Zimmernummer für Künstliche Intelligenz?

 

Susanne Stein-Pressl: Einen eigenen Raum gibt es dafür nicht, aber ein hausinternes Daten-Team, das die Daten, die unserem KI-Rechercheprototypen zugrunde liegen, laufend besser aufbereitet. Im letzten Dreivierteljahr wurde bei uns sehr viel in Datenanalyse und -aufbereitung investiert, um unseren Kundinnen und Kunden unser KI-gestütztes Tool für die Rechtsrecherche in einer gegenüber dem ersten Testlauf 2023 überarbeiteten und um einige spannende Features erweiterten Version zum Test anzubieten.

 

Anwalt Aktuell: Ihr Ururgroßvater hätte sich wahrscheinlich nicht träumen lassen, dass das Buch heute schon weniger Anteil am Verlag hat als das digitale Produkt. Wann gibt es denn das erste von der Künstlichen Intelligenz geschriebene Buch bei MANZ?

 

Susanne Stein-Pressl: Persönlich glaube ich im Moment nicht, dass es ein solches einmal geben wird. Momentan sehe ich die KI als einen „Personal Research Assistant“, der dem Autor und der Autorin in der Vorbereitung hilft, beispielsweise bei der Strukturierung von Daten. Die wissenschaftliche und auch kreative Entscheidung über den Inhalt eines Buchs wird meiner Meinung nach aber immer die Autorin, der Autor treffen.

 

Anwalt Aktuell: Wie sehen Sie die Wahrung des Urheberrechts in Zeiten der Datenabsaugung durch Künstliche Intelligenz?

 

Susanne Stein-Pressl: Als Einzelner und auch als Verlag ist man wahrscheinlich nicht komplett geschützt. Wir haben unseren Content jedenfalls hinter einer Bezahlschranke und damit auf jeden Fall sicherer. Ich sehe es auch in Zukunft als besonders wichtig an, dass das Urheberrecht, das ja beim Autor bleibt, ordentlich entgolten wird. Ich hoffe, dass Europa von diesem Konzept nicht völlig abweichen wird.

 

Anwalt Aktuell: Von der EU gibt es einen Akt zur Künstlichen Intelligenz. Wie sehr beschäftigt Sie das?

 

Susanne Stein-Pressl: Uns beschäftigt es in Hinblick auf all unsere Produkte. Insgesamt wird dieser Akt aber die gesamte Juristenwelt beschäftigen. Wir planen Seminare und ein Handbuch zu diesem Thema. Auch zum Verhältnis Arbeitsrecht und Künstliche Intelligenz wird es Seminar und Handbuch geben. Für jene, die sich intensiver damit beschäftigen wollen, wird es Angebote geben, wie zum Beispiel den Lehrgang zum „Digital Legal Expert“. Neben den Veranstaltungen in der Rechtsakademie werden wir zu diesem Themenbereich auch mit Büchern auf den Markt kommen.

 

Anwalt Aktuell: Mit welchem Gefühl schauen Sie als fünfte Generation auf das Werk Ihrer Vorfahren zurück?

 

Susanne Stein-Pressl: Wir haben in der Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr darüber intern viel diskutiert und erkannt, dass jede Generation ihre Innovation gebracht hat. Bei uns ist es jetzt die KI, die Vorgängergeneration hat den Schritt in die digitale Welt getan, die Generation davor bewältigte den Aufbau nach dem Krieg… Jede Generation war sehr innovativ und hat ihre Schritte mit der jeweiligen Zeit getan.

 

Frau Magister Stein-Pressl, danke für das Gespräch.