OFFENE TÜREN. OFFENE FRAGEN. Mit dem Informationsfreiheitsgesetz endet ab 1. September das jahrhundertealte österreichische Amtsgeheimnis. Tun sich da neue Chancen für wissbegierige Bürger auf? 17 Jurist:innen waren drauf und dran, in den Staatsdienst einzutreten. Man hat ihnen vor der Nase die Türen zugeschlagen. Und eine der spannendsten Diskussionen in Sachen Berufsbild nimmt Fahrt auf. Gesucht: die Konzipient:innen der Zukunft.
Dietmar Dworschak
Herausgeber & Chefredakteur
QUIETSCHENDE AMTSTÜREN.
Wenige Wochen vor dem Inkrafttreten des neuen Informationsfreiheitsgesetzes herrscht in Anwaltskanzleien frohe Erwartung auf neues Geschäft, in den Amtsstuben hingegen blanke Angst vor neuem Arbeitsleid. Denn erstmals seit Jahrhunderten steht den österreichischen Staatsbürger:innen das verbriefte Recht zu, Anfragen an die Verwaltung zu stellen. Und dies sogar „formlos“. Es wird spannend sein, zu sehen, wie sehr die Möglichkeiten der „neuen Transparenz“ tatsächlich genutzt werden. Vermutlich bilden Medien und Nichtregierungsorganisationen die Pfeilspitze der Anfragen, über die sich wahrscheinlich viele Amtsstuben aller Verwaltungsebenen ärgern werden, nicht nur wegen der plötzlich ausbrechenden zusätzlichen Arbeit, sondern wohl auch, weil nun Bereiche ausgeleuchtet werden, die man bisher dem öffentlichen Blick ganz offiziell versperren durfte. Wird damit ein „Ruck“ durchs Land gehen? Werden sich Bürgerinnen und Bürger endlich gegenüber den Behörden emanzipieren, die ihr „Herrschaftswissen“ mit Genuss versperren durften? Was wird politisch daraus folgen? Geht es nun endlich „Ortskaisern“ juristisch an den Kragen, die bisher schalten und walten konnten, wie es ihnen beliebte? Werden Österreichs notorisch auskunftsscheue Energieversorger endlich ihre Karten auf den Tisch legen müssen? Stichwort „Netzentgelte“. Wird man endlich Licht ins Dunkel des österreichischen Subventionsdschungels bringen? Eine unüberschaubare Zahl spannender Themen liegt hinter Amtstüren, die sich langsam und quietschend öffnen werden (müssen). (Lesen Sie dazu das große Interview auf den Seiten 10 –12).
Bekanntlich waren die Grünen die wesentlichen Betreiber des „Informationsfreiheitsgesetzes“, gegen den massiv hinhaltenden Wider stand der ÖVP. Im Zusammenhang mit dem sehr großzügigen Zweijahres-Gehaltsabschluss für die Beamten durch Grünen-Chef Werner Kofler ist ein Schelm, der dabei an eine mögliche Kompensation für die nun anstehende Zusatzarbeit in der Verwaltung denkt.
JUSTIZMANAGEMENT UND SIDELETTER NEU
Also schrieb der „Standard“ am 7. Mai 2025: „Für 17 künftige Richter und Staatsanwältinnen hätte auch der 2. Mai ein Feiertag werden sollen: Nach dem Tag der Arbeit waren die Übernahmekandidat:innen für die Angelobung als Richteramtsanwärter:innen zum Oberlandesgericht (OLG) Wien in den ehrwürdigen Justizpalast am Schmerlingplatz geladen. Wenige Tage vor ihrem großen Tag erhielten die 17, darunter auch Quereinsteiger, die ihre Jobs in Rechtsanwaltskanzleien gekündigt hatten, um in den Staatsdienst zu wechseln, dann allerdings eine neue Nachricht der Justizverwaltung. Sie sollten bereits am 29. April kommen. Was sie hörten, war nicht das, was sie erwartet hatten: Dem Nachwuchs wurde erklärt, dass ‚aus budgetären Gründen‘ leider nur vier der 17 Bewerber:innen tatsächlich aufgenommen würden – der Rest habe quasi Pech gehabt.“ Frage: Geht man so mit Nachwuchskräften für die Justiz um, die angeblich dringend gebraucht werden?
JUSTIZPERSONAL, die zweite, zum Thema „Sideletters“: Warum hört Österreichs Politik nicht auf, Spitzenposten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit „per Koalitionsbeschluss“ zu bestellen, ohne die betroffene Richterschaft mitsprechen zu lassen? Ihr Vertreter, Markus Thoma, fin det das gar nicht gut (Seite 20).
BERUFSNACHWUCHS ZWISCHEN FREIZEIT UND KI.
Auf der einen Seite stehen Kanzleien, die händeringend nach Konzipient:innen suchen. Sie bieten reichlich Arbeitsstunden pro Woche, dafür aber eine Ausbildung auf hohem Niveau. Auf der anderen Seite machen sich Studienabsolvent:innen Gedanken darüber, wie die nächsten Berufsjahre aussehen sollen. Der gesellschaftliche Mega-Trend lautet: weniger arbeiten, mehr Home-Office, oder umgangssprachlich „Work-Life-Balance“. Wie sollen diese beiden voneinander weitentfernten Standpunkte zusammengebracht werden? Peter Csoklich, der neue Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien, weiß um die Brisanz des Themas (Seite 14), und will sich auch standespolitisch für die Entwicklung neuer Ideen für die Ausbildung des Berufsnachwuchses einsetzen. Unter anderem müsse man über die doch sehr langen fünf Jahre nachdenken, die derzeit noch Konzipient:innenpflicht sind. Eine Vertreterin des Nachwuchses, Sandra Mainetti aus Dornbirn, verweist auf das sehr verlockende Angebot von Liechtenstein: Ausbildung zur Anwältin, zum Anwalt in zwei Jahren! (Seite 22). Präsident und Konzipientin sind sich einig: die Künstliche Intelligenz wird mehr als nur ein Wörtchen mitreden, wenn es um die künftige Ausbildung zur Anwältin, zum Anwalt geht.