BERUFSNACHWUCHS. Österreichweit werden Konzipientinnen und Konzipienten gesucht. Ist der Beruf noch attraktiv genug? Wie steht es um Bezahlung und Ausbildungsbedingungen? Wir haben mit Sandra Mainetti gesprochen, die in Dornbirn arbeitet und Mitglied des Ausschusses der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer ist.
Sandra Viktoria Mainetti Interview: Dietmar Dworschak
Anwalt Aktuell: Frau Magister Mainetti, wenn Sie sich in Ihrer Generation umhören – ist es eigentlich noch cool und erstrebenswert, Anwältin oder Anwalt zu werden?
Sandra Mainetti: Ich habe das Gefühl, dass das Berufsbild des Anwalts schon einen Wandel durch gemacht hat. Früher war die anwaltliche Tätigkeit fast schon automatisch prestigeträchtig, mittler weile gibt es hier ein gespaltenes Bild. Ich glaube, die junge Generation verbindet den Beruf mit Eigenschaften wie Disziplin, Willensstärke, Kompetenz und gutem Auftreten. Als Kehrseiten werden sicher die lange Ausbildung und die Arbeitsintensität gesehen. Es schwingt aber auch das veraltete Image mit, dass der Stand elitär, hierarchisch und wenig innovativ sei. Ich würde aber behaupten, dass solche Zuordnungen nur noch ganz selten zutreffen.
Anwalt Aktuell: Woran liegt es, dass Kanzleien in Österreich kaum noch Konzipientinnen und Konzipienten finden?
Sandra Mainetti: Ich denke, dass dieses Problem auch auf andere Berufe zutrifft. Es wird insgesamt immer schwerer, qualifizierte Mitarbeiter:innen zu finden. Es gibt sicher einige Punkte, warum man sich gegen die Konzipient:innenausbildung entscheidet. Da fällt mir als erstes natürlich die lange Ausbildungsdauer ein. Nach einem bereits fordernden und zum Teil schwierigen Studium stellen sich viele die Frage, ob sie sich noch einmal fünf vergleichbare Jahre zumuten wollen. Wenn man sein Studium Mitte, Ende zwanzig ab schließt, befindet man sich oftmals in einer Lebensphase, in der neben den Karrierevorstellungen auch andere Themen in den Vordergrund rücken: Wie stelle ich mir mein Leben vor? Möchte ich eine Familie haben? Und dann ist noch ständig die große Hürde im Hinterkopf, die Rechtsanwaltsprüfung. Ein weiterer Punkt für die jüngere Generation ist auch, dass dieser Beruf nicht sehr viel Flexibilität erlaubt, weil man Fristen, Gerichtsterminen und Parteienverkehr unterworfen ist. Das trifft bereits auf die Konzipient:innenausbil dung zu, in der man eine räumliche und zeitliche Nähe zum:zur Ausbildungsanwält:in braucht. Dies erschwert natürlich auch die Möglichkeit von Homeoffice.
Anwalt Aktuell: Finden Sie die Ausbildung des anwaltlichen Nachwuchses zeitgemäß oder gibt es seitens der Konzipientenvertretung Änderungswünsche? Wir reden hier immerhin von fünf Jahren Lebenszeit?
Sandra Mainetti: Ich finde, das muss man aus zwei Blickwinkeln betrachten. Der positive Faktor liegt darin, dass es sich um eine extrem umfangreiche Ausbildung handelt und nach dieser intensiven Phase verfügt man über eine juristische Qualifikation auf höchstem Niveau. Es ist inhaltlich und umständehalber sehr lernintensiv. Ich sehe es als Vorteil, dass man eine so lange Zeit einen:e Ausbildungs anwält:in unterstützend zur Seite hat. Natürlich geht es auch darum, welche Arbeit man kanzleiintern zugeteilt bekommt. Wenn ich fünf Jahre nur recherchieren muss, ist diese Zeit definitiv zu lange. Hat man aber, wie hier in Vorarlberg oftmals üblich, bereits die umfassende Verantwortung für die gesamte Causa von Klient:innen übernommen – natürlich in engem Austausch mit der:dem Ausbildungsanwält:in –, kann man während der Ausbildungszeit bereits sehr viel Erfahrung sammeln. Viele Jurist:innen aus Vorarlberg absolvieren ihre Ausbildung nach dem Studium im benachbarten Ausland – etwa in Liechtenstein, wo der Weg zur Rechtsanwaltsprüfung kürzer ist. Das wirft unweigerlich Fragen zur Attraktivität der heimischen Ausbildung auf – insbesondere im direkten Vergleich mit deutlich kürzeren Ausbildungswegen im Ausland.
Anwalt Aktuell: Glauben Sie, dass die Künstliche Intelligenz mittelfristig Konzipient:innen überflüssig machen wird?
Sandra Mainetti: Die Arbeit der Konzipient:innen wird sich auf je den Fall verändern. Die KI erleichtert die Arbeit bei der Recherche und einfachen Schriftsätzen, womit mehr Zeit bleibt für die Ausbildung in Verhandlungen, für Verhandlungstechnik und Argumentation, aber ganz besonders für das Verhältnis zwischen Mandant:innen und angehenden Anwält:innen. Dazu kommt natürlich, dass es auch in Sachen KI Schulungsbedarf geben wird. Und, nicht zu vergessen: der Output der KI muss überprüft werden! Ich bin aber überzeugt, dass man es in Zukunft schwer haben wird, wenn man sich der technischen Entwicklung und speziell der KI verschließt.
Anwalt Aktuell: In meiner langjährigen Beobachtung des Standes habe ich das Gefühl, dass die Interessen von Konzipientinnen und Konzipienten nicht gerade spektakulär vertreten werden. Liegt das daran, dass sich die meisten in dieser Phase denken: „Augen zu und durch“?
Sandra Mainetti: Der Begriff mit dem Durchgangsstadium gefällt mir gut. Schlussendlich ist es das Ziel, Anwält:in zu werden. Es fehlt vermutlich auch einfach an der Zeit. Das Lernpensum gerade am Anfang ist gewaltig und herausfordernd, die Tage sind arbeitsintensiv. Ob man sich nun persönlich für die Konzipient:inneninteressen einsetzt, hängt oft wohl auch davon ab, ob der:die Ausbildungsanwält:in in irgendeiner Form ein Naheverhältnis zur Kammer hat. Wenn er:sie einen nicht an der Hand nimmt und dort einführt, gestaltet es sich meist schwierig, für die eigenen Anliegen einzutreten. Für mich habe ich jedenfalls den Eindruck, dass meine Arbeit im Ausschuss der Vorarlberger Anwaltskammer wertgeschätzt wird und der frische Wind durch einen anderen Blick winkel willkommen ist.