NEUER PRÄSIDENT. Ende Mai wählte die Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer Wien Peter Csoklich zum neuen Präsidenten. Er folgt auf Michael Rohregger, der nach zwei Jahren an der Spitze sein Amt vorzeitig zurücklegte. Der neue Präsident will das Bewusstsein für die Vorteile der Selbstverwaltung stärken sowie die Themen „Frau in der Anwaltschaft“ und „Berufsnachwuchs“ mit neuen Ideen beleben. Zum 175-jährigen Bestehen wünscht er sich eine deutlich modernere Kammer.
Dr. Peter Csoklich
Peter Csoklich weiß, dass es kein gutes Bild macht, wenn eine Standesvertretung nicht einmal 20 Prozent ihrer Mitglieder motivieren kann, sich an einer Plenarversammlung zu beteiligen (da sind die elektronischen Stimmen bereits mitgerechnet). Dass er sich dem Amt als neuer Präsident stellt, versteht er auch als deutliches Zeichen der Zuversicht in Richtung Daseinsberechtigung der Rechtsanwaltskammer: „Eines meiner wichtigsten Ziele ist es, das Verständnis für die Selbstverwaltung zu stärken.“ Ihm ist bewusst, dass dies nicht einfach werden wird. Der Zeitgeist weht massiv gegen das Thema Kammern insgesamt. Csoklich: „Wann hat denn eines unserer Mitglieder mit der Kammer zu tun? Meist nur beim Empfang der Beitragsvorschreibung oder wenn es um eine Verfahrenshilfe geht.“ Dieser eher düsteren Erlebniswelt will er die ohne hin bestehenden positiven Werte gegenüberstellen: „Erstens, was bedeutet die Selbstverwaltung und welche besonderen Vorteile hat diese für den Stand insgesamt?, und zweitens: Was tut die Kammer für ihre Mitglieder?“
Überzeugen durch Kommunikation
Der neue Präsident kennt die vielen aktuellen Themen rund um seinen Berufsstand sowohl als Standesvertreter wie auch als erfolgreich praktizieren der Anwalt gut. Seit 1993 ist er selbständiger Rechtsanwalt und Gründungspartner der Kanzlei DSC Doralt Seist Csoklich. Dem Ausschuss der RAK Wien gehört er bereits seit 1997 an, im ÖRAK leitet er den Arbeitskreis für internationales Berufsrecht. Im Zusammenhang mit der Eigenständigkeit der Kammern in Österreich erinnert er daran, dass in unmittelbarer Nachbarschaft (Ungarn, Polen) so wie in den USA ein Rechtsstaat, wie wir ihn kennen, keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Umso wichtiger ist es für ihn, das Besstsein für Funktion und Vorteile der Kammer zu stärken. Er weiß, dass auf ihn hier eine umfangreiche Kommunikations aufgabe zukommt: „Für mich geht es ab sofort um einen verstärkten persönlichen Kontakt zu Kanz leien und Anwaltsclubs. Unter anderem werde ich hier auch die Frage beantworten, was wir als Kammer mit dem Geld unserer Mitglieder machen.“
Anregen durch Themendiskussion
Csoklich will sich auch mit der Problematik des Berufsnachwuchses beschäftigen. Angesichts des immer deutlicher werdenden Mangels an Konzipientinnen und Konzipienten sieht er einige Fragen auf den Stand zukommen. Wie geht man um mit der neuen Arbeitsmentalität (Homeoffice, Teilzeitwünsche, Arbeitsende Freitagmittag)? Was kann man tun, um Talente in Österreich zu halten und nicht abwandern zu lassen? Gibt es attraktive Ideen für die Neugestaltung der Konzipient:innenzeit? Ist eine Verkürzung dieser intensiven fünf Jahre unter Beibehaltung der „österreichischen“ Ausbildungsqualität vorstellbar? Auch im Themenkomplex „Frau im Anwaltsberuf“ sieht der neue Präsident dringenden Diskussionsbedarf. Man müsse hier intensiver darüber nachdenken, wie die Themen „Familie“ und „Beruf“ besser vereinbar gestaltet werden könnten. Jene KollegInnen, die aufgrund besserer Rahmenbedingungen zur Richterschaft abwanderten, seien ein großes Potential auch für den Anwaltsstand.
Teil der modernen Zeit werden
Peter Csoklich vertraut auf die Anpassungsfähigkeit der Anwaltsbranche auch in Zeiten des immer rascher werdenden Wandels. Digitalisierung und Elektronisierung des Rechtsverkehrs wurden speziell in Österreich rasch als Chance erkannt und in den Kanzleialltag integriert. „Ähnlich wird es wohl mit der Künstlichen Intelligenz“ meint der Präsident zuversichtlich. Zwar sei eine „teure KI“ bereits imstande, Konzipient:innen zu ersetzen, doch werde sich durch die neuen Anforderungen das Berufsbild insgesamt in neue Richtungen wandeln: „Der Anwalt/ die Anwältin wird mehr zum Berater.“ Er rechnet damit, dass sich die Geschäftsfelder ändern wer den. All das wiederum könne besser gelingen, wenn eine starke Standesvertretung gemeinsam mit ihren Mitgliedern am Wandel des Berufsbil des arbeite. Nach dem Motto „Neue Wege gehen – mit starker Stimme, klarer Haltung und gelebter Vielfalt.“