DAS GROSSE ABGREIFEN. Künstliche Intelligenz braucht vor allem eines: Schulungsmaterial. Quer durch alle Anwendungsgebiete zeigt sich, dass die KI-Trainings-Firmen wenig oder gar nichts von Urheberrechten halten. Die Gegenwehr ist bescheiden.
Wussten Sie, dass es in Österreich neun Verwertungsgesellschaften gibt, die in unterschiedlichen Bereichen des Urheberrechts (Musik, Literatur, Film, bildende Kunst) über die Verwertungsrechte wachen? Da geht es etwa um Sendung, öffentliche Wiedergabe oder Vervielfältigung. Zur Regelung der Wahrnehmung der Urheberrechte gibt es auf der einen Seite Wahrnehmungsverträge zwischen den Rechteinhabern und den Verwertungsgesellschaften und auf der anderen Seite Lizenzverträge zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Nutzern der urheberrechtlich geschützten Kreationen. Für die Überwachung und Überprüfung der in Österreich tätigen Verwertungsgesellschaften und unabhängigen Verwertungseinrichtungen ist seit 2006 die „Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften“ zuständig.
Dr. Thomas Rainer Schmitt, der stellvertretende Leiter dieser Aufsichtsbehörde, schildert die wesentlichen Aufgaben seines Hauses: „Wir beschäftigen uns insbesondere mit dem Auftreten der Verwertungsgesellschaften gegenüber Rechteinhabern und Nutzern. Ein weiteres wichtiges Aufgabengebiet der Behörde ist die Entscheidung über die Erteilung von Wahrnehmungsgenehmigungen, die zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten in Österreich benötigt werden.“ Bei der Behörde kann zudem um Vermittlung angesucht werden, etwa in Streitigkeiten zwischen Verwertungsgesellschaften und Nutzern.
Weltweite Rechtsunsicherheit
So geordnet und übersichtlich die Urheberrechtssituation in den „klassischen“, oben angeführten Bereichen ist, so volatil geht es über all dort zu, wo Künstliche Intelligenz entwickelt wird. Die Unverfrorenheit, sich an urheberrechtlich geschütztem Material zu vergreifen, um eine KI zu trainieren, kennt im wahrsten Sinn des Wortes keine Grenzen. Wird beispielsweise das Werk eines zeitgenössischen Malers in Malaysia zum Training einer Künstlichen Intelligenz verwendet und online abgerufen, können die Rechteinhaber weltweit zu klagen versuchen, doch werden sie dabei vor massive Probleme gestellt. Thomas Rainer Schmitt: „Österreichisches Recht könnte allenfalls anwendbar sein, wenn das Material über einen in Österreich befindlichen Server überspielt würde, was allerdings noch nicht restlos geklärt ist.“
Verwertungsgesellschaften kann hierbei eine wichtige Rolle zukommen. Dr. Schmitt verweist dies bezüglich auf die deutsche GEMA, die dabei ist, speziell für den Musikbereich die Rechte von Auto rinnen und Autoren gegenüber KI-Anbietern gerichtlich geltend zu machen. Hierfür wird nach 1:1Kopien oder zumindest „Ähnlichkeiten“ zwischen geschützten Vorlagen und nachgebauten KI-Kreationen gesucht. Das Interesse an diesem Vorgehen ist enorm; Schmitt meint: „Ganz Europa schaut auf diese Klagen“.
KI und „Neugestaltung“
Gegenüber dem bewussten „Abkupfern“ bzw. mehr oder weniger schamlosen Imitieren geschützter Inhalte steht auf der anderen Seite die „eigenständige“ Herstellung (audio)visueller oder textlicher Inhalte mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz. Zum Beispiel: Eine Firma lässt sich ein neu es Logo von einer KI gestalten. Nach Thomas Rainer Schmitt besteht aber auch hier stets ein Restrisiko, dass im neuen Logo geschützte, von der KI illegal verwendete Elemente enthalten sein könnten bzw. eine zu große Ähnlichkeit zu geschützten Werken besteht und das Logo demnach Urheberrechte verletzt. „Das Thema wird gewissermaßen auf den Nutzer abgewälzt“. Angesichts des nach wie vor im Gange befindlichen, weltweiten „Data-Minings“ zu KI-Trainingszwecken und der anschließenden, urheberrechtsrelevanten Verwendung von KI sieht Schmitt sehr viele ungeklärte rechtliche Fragen und eine massive Rechtsunsicherheit sowie Beweis und Durchsetzungsprobleme. Der neueste Hilferuf in Sachen KI-Training und Nutzung kommt übrigens aus einer Branche, die uns jeden Kino oder TV-Abend zum atmosphärischen Erlebnis macht: von den Synchron-Sprecher:innen. Ihnen ist zu Ohren gekommen, dass ihre Stimmen bereits ohne ihre Zustimmung für das Training ihrer „Avatare“ genützt werden. Ob wir’s merken, wenn Harrison Ford „ein bisschen anders“ klingt? Original-Sprecher Wolfgang Pampel wird’s schon merken, sobald er keine Aufträge zur Synchronisation mehr bekommt.