Vom Gender Data Gap zum Gender Data Mining Wo bleiben unsere Gesundheitsdaten?

 

Im Rahmen der Veranstaltung der The WomenIn-Law Initiative im Mai 2025 brachte es a.o. Univ.Prof. Dr. Beate Wimmer-Puchinger (erste klinische Psychologin an einer Frauenklinik, Gründerin & wiss. Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Frauengesundheitsforschung) auf den Punkt: Die Unterrepräsentation von Frauen in der medizinischen Forschung führt zu Fehldiagnosen und nicht opti mal angepassten Therapien. Dabei geht es nicht nur um fehlende Daten sondern um eine jahrzehntelange medizinische Forschung unter Außerachtlassung von frauenspezifischen Daten in der Medizin. „Die unsichtbare Frau“ läuft dabei Gefahr, durch die Digitialisierung noch unsichtbarer zu werden.

Dr. Alix Frank-Thomasser

 

 

 Im Rahmen der Veranstaltung der The WomenIn-Law Initiative im Mai 2025 brachte es a.o. Univ.Prof. Dr. Beate Wimmer-Puchinger (erste klinische Psychologin an einer Frauenklinik, Gründerin & wiss. Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Frauengesundheitsforschung) auf den Punkt: Die Unterrepräsentation von Frauen in der medizinischen Forschung führt zu Fehldiagnosen und nicht optimal angepassten Therapien. Dabei geht es nicht nur um fehlende Daten sondern um eine jahrzehntelange medizinische Forschung unter Außerachtlassung von frauenspezifischen Daten in der Medizin. „Die unsichtbare Frau“ läuft dabei Gefahr, durch die Digitialisierung noch unsichtbarer zu werden. In der medizinischen Forschung besteht eine oft unterschätzte Wissenslücke: der sogenannte Gen der Data Gap. Dieser beschreibt die unzureichende Datengrundlage zu Frauen in klinischen und vor klinischen Studien – ein Problem mit gravierenden Folgen für die Gesundheit und Sicherheit von Frau en. Dabei spielen verschiedene – vor allem auch medizinische – Faktoren eine Rolle bei der Entstehung des Gender Data Gaps. Doch nicht nur medizinische Gründe tragen zu diesem Ungleichgewicht bei: Auch auf juristischer Ebene, ins besondere im Regelwerk für klinische Studien, gibt es entscheidende Einflussfaktoren (Gisela Ernst in Rudolphina Experts: Gendermedizin und Recht „Gender Data Gap – Über Wirkung und Nebenwirkungen“). Jahrzehntelang galten beispielsweise strenge Ausschlusskriterien für Schwangere und Stillende und zudem durften klinische Studien an allen gebär fähigen Frauen nur durchgeführt oder fortgesetzt werden, wenn wiederholt negative Schwangerschaftstests vorgelegt wurden. Erst durch die EU-Verordnung (EU) 536/2014 wurde sichergestellt, dass schwangere Frauen beispielsweise an klinischen Studien teilnehmen dürfen, wenn der Nutzen die Risiken überwiegt und die Belastung mini mal bleibt. Auch die Möglichkeit von klinischen Prüfungen zum Gruppennutzen wurde rechtlich geregelt, wenn die Prüfung zu einem „Gruppennutzen“ für die repräsentierte Bevölkerungsgruppe führt. Dennoch besteht weiterhin Handlungsbedarf bei der Integration von Frauen in allen Phasen der klinischen und vorklinischen Forschung. Wimmer-Puchinger machte an Hand der Studien zu den unterschiedlichen Symptomen der Früherkennung von Herzinfarkten bei Frauen und Männern deutlich, wie tödlich diese medizinische Datenlücke für Frauen ist, sterben doch weit mehr Frauen an unerkannten Herzinfarkten bzw. Fehlbehandlung ihrer Symptome als Männer: Haben Männer im Vorfeld eines Herzinfakts oft Schmerzen in der Brust und im linken Arm, treten bei Frauen meistens eher Symptome wie Übelkeit, Verdauungsprobleme und Müdigkeit auf. Gleichstellung der Geschlechter ist ein zentrales Prinzip des österreichischen Verfassungsrechts und des Unionsrechts. Gleichstellung muss daher auch in der medizinischen Forschung gelten, egal ob in der Medikamentenentwicklung, Risikoeinschätzung oder bei Therapien. Es ist bereits vielfach nachgewiesen, dass Geschlechter in vielerlei Hinsicht unterschiedliche Bedürfnisse und Reaktionen aufweisen. Medizin und vor allem eine bereits seit Jahrzehnten bestehende Datenlücke darf daher keinesfalls diskriminieren. Seit dem 26. März 2025 ist die Verordnung über den Europäischen Raum für Gesundheitsdaten in Kraft: Die COVID19-Pandemie hat deutlich gemacht, dass ein zeitnaher Zugang zu hochwertigen elektronischen Gesundheitsdaten für die Vorsorge und Reaktion bei Gesundheitsbedrohungen und für die Prävention, Diagnose und Behandlung sowie für die Sekundärnutzung von diesen elektronischen Gesundheitsdaten unerlässlich ist. Der europäische Raum für Gesundheitsdaten (EHDS) soll allen EU-Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen, darunter Patienten, Angehörige der Gesundheitsberufe, Forschende, politische Entscheidungsträger und Akteure der Industrie. Wie wichtig im Grunde ein „ gut geschützter“ Datenaustausch für Therapie wie Forschung ist, liegt auf der Hand: Je mehr Wissen um Krankengeschichten von Patient:innen europaweit vorliegt, desto wahrscheinlicher sind gezielte Diagnosen und Behandlungsmethoden. Dementsprechend ist Vertrauen ein grundlegender Faktor für den Erfolg des europäischen Raums für Gesundheitsdaten. Der EHDS baut auf wichtigen, bereits bestehenden horizontalen EU-Strukturen auf, darunter: Datenschutz-Grundverordnung (DS GVO), Daten-Governance-Rechtsakt und das Datengesetz und die Richtlinie über Netz und Informationssysteme. Der EHDS kann personalisierte Medizin fördern – wenn Datenschutz und Gender fragen konsequent mitgedacht werden, so MMag. Astrid B. Knitel vom Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs VVO. Es bleibt daher abzuwarten, wie ernst die Mitgliedsstaaten den Grundsatz der Gleichstellung der Geschlechter in der Medizin nehmen und sich dieser Verantwortung in der Umsetzung der EHDS Verordnung stellen. Im Rahmen der 6. Internationalen Konferenz der The WomenIn-Law Intitiative (www.womeninlaw.info) vom 12. bis 14. September 2025 werden führende Expert:innen zum Thema „Frauen in der Migration – Recht und Durchsetzung: Globale Herausforderungen, lokale Lösungen“ auch die spezielle Situation von Migrantinnen und deren Health Data erörtern, insbesondere auch aus der Perspektive von Recht und Durchsetzung.