100 Jahre gesetzliche Verankerung des Vorrechts von Gläubigerschutzverbänden seit 1925

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Vorrecht von Gläubigerschutzverbänden und das damit verbundene Recht zur Vertretung von Gläubigern in gerichtlichen Insolvenzverfahren wurde vor 100 Jahren gesetzlich verankert.

Mag. Franz Blantz                                                                                                                                                                                  

 

 

Im Jahr 2024 feierte der Alpenländische Kreditorenverband seinen 100. Geburtstag, nachdem der Verband am 29.08.1924 gegründet wurde. Der Ursprung dieses organisierten Gläubigerschutzes lag im Zusammenschluss der durch Insolvenzfälle gefährdeten, unbesicherten Wirtschaftstreiben den im Rahmen einer nicht auf Gewinnausgerichteten Selbsthilfeorganisation in Vereinsform. Durch organisiertes Vorgehen sollte die bestmögliche Wahrung der Interessen erreicht werden. Mitglieder waren anfänglich in erster Linie Kaufleute, Fabrikanten und Großhändler. Sofort nach der Gründung war es ein vorrangiges Ziel des AKV, dass der Gläubigerschutz auch gesetzlich verankert wird. Bereits mit dem Bundesgesetz vom 20.02.1925 betreffend die Abänderung der Ausgleichs- und Konkursordnung (BGBl 1925/87) wurde das Rechtsinstitut der Bevorrechtung von Gläubigerschutzverbänden und deren Recht zur Gläubigervertretung erstmalig geschaffen, vorerst beschränkt auf das damalige Ausgleichsverfahren. Diese Novelle ist mit 10.03.1925 in Kraft getreten. Unter Berufung auf dieses Gesetz räumte das Bundesministerium für Justiz dem AKV am 30.09.1926 das „Vorrecht des Gläubigerschutzverbandes im Sinne des österreichischen Insolvenz rechts“ ein, so dass für den AKV im Jahr 2026 das dritte „100 Jahr Jubiläum“ folgen wird.

 

Rolle und Anforderungen bevorrechteter Gläubigerschutzverbände

In den Gesetzesmaterialien wird vor 100 Jahren ausgeführt, dass lediglich der Zusammenschluss der Gläubiger als die wirksamste Maßnahme gegen Umtriebe des Schuldners anzusehen sei. So sollen bevorrechtete Gläubigerschutzverbände die Insolvenzursachen sowie die Sanierungswürdigkeit des schuldnerischen Unternehmens prüfen und die Angemessenheit eines Ausgleichs beurteilen. Die daran anknüpfende objektive Berichterstattung an die Gläubiger sah man auch als im Interesse des Schuldners liegend an, so dass er die dadurch entstandenen Kosten als bevor rechtete Forderung (entspricht im Konkursverfahren einer Masseforderung) zu berichtigen hatte. Zudem sieht der heutige §266 IO unter anderem nachstehende Qualitätsmerkmale eines bevor rechteten Gläubigerschutzverbandes vor: Es muss die Vereinsform gewählt werden und

• sein Wirken muss auf ganz Österreich ausgerichtet sein

• er muss imstande sein, einen umfassenden Gläubigerschutz auszuüben und die Gläubigerinteressen wirksam in den Insolvenzverfahren zu vertreten

• seine Tätigkeit darf nicht auf Gewinn ausgerichtet sein

• er muss zahlreiche Mitglieder haben

 

Der AKV als treuhänderischer Partner in der Insolvenzabwicklung

Aufgrund der konstruktiven Mitwirkung an Insolvenzabwicklungen hat der Gesetzgeber außer dem Vertretungsrecht von Gläubigern und der uneingeschränkten Akteneinsicht (§ 253 Abs. 3 IO) den Insolvenzgerichten auch die Möglichkeit eingeräumt, die bevorrechteten Gläubigerschutzverbände zu Gläubigerausschussmitgliedern zu be stellen (§ 88 Abs.1 IO). Dies wurde in der Praxis die Regel, da sich die Gläubigerausschüsse fast aus schließlich aus den Verbänden zusammensetzen. Den bevorrechteten Gläubigerschutzverbänden werden in der Insolvenzordnung weitere Vertrauenspositionen eingeräumt, welche in der Praxis vom AKV ebenfalls wahrgenommen werden. So wurde der AKV seit Einführung des Privatkonkurses im Jahr 1995 in tausenden Fällen gemäß § 202 Abs. 3 IO in Abschöpfungsverfahren zum Treuhänder bestellt. Die nun vor genau 100 Jahren in Österreich ein geführte und in Europa einzigartige Einrichtung der Gläubigerschutzverbände sowie deren Tätigkeiten in Insolvenz-verfahren führen zu europaweit überdurchschnittlichen Quoten und Sanierungen. Dies gilt nicht nur für Unternehmenssanierungen, sondern vor allem auch für Entschuldungen im Rahmen der Schuldenregulierungsverfahren (Privatkonkurse).