ÖRAK-Präsident Dr. Armenak Utudjian erläutert im Gespräch mit Anwalt Aktuell die bevorstehenden Einschnitte durch das Budgetbegleitgesetz und warnt vor negativen Konsequenzen für den Rechtsstaat.
Dr. Armenak Utudjian
Anwalt Aktuell: Herr Präsident, das Thema Erwachsenenvertretung war zuletzt wieder in aller Munde. Die Rechtsanwaltschaft wird künftig wieder stärker beansprucht werden, auch im Bereich der Personensorge. Wie steht ihr Berufsstand dazu?
Dr. Armenak Utudjian: In rechtlichen Fragen waren und sind wir gerne bereit, unseren Beitrag im Bereich der Erwachsenenvertretung zu leisten. Aber nicht in völlig berufsfremden Angelegenheiten, wie eben der psychosozialen Betreuung und Personensorge. Dafür gibt es schließlich die von der Republik mit hohen Beiträgen finanzierten und darauf spezialisierten Vereine. Ich frage mich, weshalb ausgerechnet wir Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nun zum Handkuss kommen sollen? Warum nicht Berufsgruppen, die viel besser dafür geeignet wären, wie beispielsweise Psychologinnen und Psychologen, Ärztinnen und Ärzte? Wieso eigentlich nicht Richterinnen und Richter oder Politikerinnen und Politiker?
Anwalt Aktuell: Die Bundesregierung spricht von einer Einsparungsmaßnahme.
Dr. Armenak Utudjian: Das ist eine klassische Mogelpackung, denn Sparen ist wirklich etwas anderes. Ich sage das ganz deutlich: Hier werden bestimmte Bevölkerungsgruppen zu Zwangsarbeit verpflichtet und das in vielen Fällen noch dazu völlig unentgeltlich. Wir bezahlen sogar dafür, nämlich dann, wenn wir nicht einmal unsere Barauslagen ersetzt bekommen. So kann es nicht weitergehen.
Anwalt Aktuell: Mit dem Budgetbegleitgesetz ist auch die Ausweitung des elektronisch überwachten Hausarrests, also der Fußfessel, erfolgt und kürzlich in Kraft getreten. Wie bewerten Sie diese Reform?
Dr. Armenak Utudjian: Ich halte diese Maßnahme grundsätzlich für sinnvoll und vernünftig, allerdings ist auch diese Änderung rein aus budgetären Gründen erfolgt und nicht aus sachlichen Erwägungen. Meine Gegenfrage ist daher eine ganz grundsätzliche: Wollen wir wirklich eine Justizpolitik, die rein fiskalistischen Grundsätzen. folgt? Schaffen wir dann den Strafvollzug vielleicht demnächst gänzlich ab, um Budgetmittel zu sparen und den Eigendeckungsgrad der Justiz noch weiter hinaufzutreiben? Reicht es nicht, dass wir in Österreich schon seit Jahren unangefochtener Europameister bei den Gerichtsgebühren sind mit einem Deckungsgrad von inzwischen 117%? Ich sage ganz offen: Ich will das alles nicht.
Anwalt Aktuell: Was wünschen Sie sich stattdessen von der Justizministerin?
Dr. Armenak Utudjian: Ich wünsche mir zu nächst, dass man derartig weitreichende Justizreformen nicht in einem Budgetbegleitgesetz ohne Begutachtung durch das Parlament peitscht. Ich vermisse derzeit den über Jahrzehnte so bewährten offenen Diskurs über wichtige Reformvorhaben. In zentralen Fragen – wie bei der geplanten Einführung der Bundesstaatsanwaltschaft oder den neuen Überwachungsinstrumenten – wird oft ein Dialog mit Stakeholdern beschworen, der dann aber meistens nicht geführt wird.
Anwalt Aktuell: Sie haben die Bundesstaatsanwaltschaft angesprochen. Wie bewerten Sie die Pläne zur Einführung einer solchen neuen Behörde?
Dr. Armenak Utudjian: Es mag viele Details geben, die handwerklich zu kritisieren sind, doch die viel drängendere Frage ist: Ist die Politik wirklich bereit, eine inhaltliche Reform zu machen, die auch Verbesserungen in vielen Bereichen der Weisungserledigungen bringt? Wenn man hier tatsächlich Änderungsbedarf sieht, dann bitte keine Alibi-Reform, nur damit die öffentliche Meinung beru higt wird. Eine echte Reform braucht aber eine offene Debatte über alle Auswirkungen, nicht nur den Austausch des Weisungsrates durch eine neue Behörde namens Bundesstaatsanwaltschaft, wenn sonst alles beim Alten bleibt.