Es hat den Anschein

 

 

 

 

 

 

 

VERDACHTSMOMENTE. Vieles ist nicht, wie es scheint – und einiges scheint mehr, als es ist. Das Wort der Saison heißt „Anscheinsproblematik“. Es könnte sein, dass drei Bundesstaatsanwält:innen gscheiter sind als ein Justizminister. Es könnte sein, dass bierernste Justiz lustiger ist als ein Kabarettist. Und es könnte sein, dass Richter als Fahrprüfer zurecht Fahrschüler durchfallen lassen.                                                 

Dietmar Dworschak                                                                                                                                   

Herausgeber & Chefredakteur                                                                                                                      

 

 

DREIEINIGKEIT? In der katholischen Gottesvorstellung gibt es die saubere Funktionstrennung in Gottvater, Gottsohn und Heiliger Geist. Wenn man den Propagandisten des Vatikan vertrauen darf, hat sich dieses Modell seit über 2000 Jahren bewährt. Allerdings ist weder aus Rom noch aus dem Jenseits überliefert, wie die Willensbildung der Dreieinigkeit funktioniert. Hat Gottvater möglicher weise eine Sperrminorität? Oder ist der Heilige Geist, weil gasförmig, zu selten bei wichtigen Sitzungen dabei, weshalb sich Vater und Sohn die wichtigen Dinge untereinander ausmachen? Angesichts der Bedeutung der geplanten neuen Bundesstaatsanwaltschaft ist es geradezu geboten, hohe und höchste Vorbilder zu bemühen. Glaubt man nämlich der Justizministerin und der Regierung, wird hier eine Behörde eingerichtet, die mit einem Schlag das Gute bringt: Schluss mit der leidigen Anscheinsproblematik! Um hier jeden Verdacht für immer auszuräumen scheint die Regierung bereit zu sein, sehr viel Geld in die Hand zu nehmen, um eine neue Behörde einzurichten, die das Gleiche tun wird wie bisher der Justizminister/die Justizministerin: Weisungen erteilen. Oder auch nicht. 

Denn das Prinzip „Oder auch nicht“ hat seit dem legendären Weisungserteiler Christian Broda eigentlich sehr gut funktioniert. Auch hartnäckige Nachforschungen bringen keinerlei Weisungsmissbräuche durch Justizminister (m/w/d) ans Licht. Wozu also dieses immens teure und politisch extrem fragwürdige Theater? Was soll denn herauskommen, wenn der Nationalrat die Mitglieder der Bundesstaatsanwaltschaft „wählt“.

Verfassungsjurist Heinz Mayer: „Wir sind ja auch nie auf die Idee gekommen, dass wir die Richter des Obersten Gerichtshofs vom Parlament wählen lassen.“ Mit Ausnahme der Regierung (speziell der ÖVP) fragen sich viele, unter anderem wesentliche Repräsentanten der Justiz, was diese Dreier-Weisungsspitze eigentlich soll. Ein anderer Verfassungsjurist, Peter Bußjäger, verweist darauf, „dass es viele monokratische Spitzen in der Verwaltung gibt. Auch der Bezirkshauptmann oder die Bezirkshauptfrau ist nur eine Person.“ Und er zweifelt, ob für die „Dreierspitze“ überhaupt genug zu tun ist: „Man muss diese drei Leute ja beschäftigen“ (Seite 10–12).

 

FÜHRERSCHEIN. Lange, bevor ich zur Führerscheinprüfung antrat, war ich mit den Funktionen eines Automobils (Opel Rekord 1900, viertürig, weiß) bestens vertraut. Ich beherrschte das mit 90 PS hoch motorisierte Gerät so weit, dass ich den Wagen nach einer Querfahrt auf eisglatter Straße geradestellte und wohlbehalten nachhause brachte. Den heimlich entwendeten Autoschlüssel legte ich in die Küchenschublade. Die Mutter schlief. Von den Ausflügen hat sie nie erfahren. Als ich, ausgerüstet mit der Erfahrung vieler illegaler Fahrkilometer, in Bludenz zur Fahrprüfung antrat, war nach ein paar hundert Metern Schluss. Der Fahrprüfer am Rücksitz (Richter? Polizist?) befand, ich bewegte das Fahrschulprüfungsauto „zu weit rechts“. Als ich vor ein paar Wochen im „Standard“ las, dass in Vorarlberg Richter und Polizisten im Verdacht stehen, Prüflinge in einem ungewöhnlich hohen Prozentsatz bei der praktischen Fahrprüfung durchfallen gelassen zu haben, dachte ich mir: Sooo lange machen die das schon? Anscheinsproblematik oder Wahrheit? Wenn die Anschuldigungen stimmen, dann hat der Rechtsstaat zumindest in Vorarlberg ein Problem. Wer lässt sich künftig unwidersprochen von einem Richter verurteilen, der sich per „Finger runter" auf dem Rücksitz des Prüfungsautos pro Jahr – wie man las – bis zu 50.000 Euro Zusatzgehalt verdiente? Oder noch krasser, wenn der Fahrprüfer ein Polizist war… Wir dürfen gespannt sein, was die Staatsanwaltschaft Innsbruck dazu herausfindet. Momentan ist es ziemlich ruhig. Zu ruhig, meine ich. Apropos Staatsanwaltschaft: Der „Fall Pilnacek“ wurde von der Ermittlungsbehörde Krems ins Burgenland über siedelt. Zu viele Ungereimtheiten. Oder anders gesagt: Anscheinsproblematik.

 

AUSGELACHT. Wann immer ich Radio höre, ist ein Kabarettist nicht weit. Österreich dürfte weltweit die höchste Dichte von Kabarettisten in Relation zur Gesamtbevölkerung aufweisen. Ich habe das nicht überprüft, aber es ist so ein Gefühl. Dieses Gefühl ist nicht ganz ohne Neid, zumal diese Leute nicht selten große Säle füllen und mit oft gar nicht so guten Pointen viel Geld verdienen. Das aber kann nicht der Grund sein, dass Richter in drei Instanzen in Wien jetzt einen Kabarettisten verurteilt haben, der einen weder besonders lustigen noch besonders aggressiven Gag in einer Zeitungskolumne platzierte. Er war von einem ranghohen Polizisten geklagt worden, der ganz offen sichtlich „keinen Spaß“ verstand. Und die Richter scheinen auch nicht gerade von der humoristischen Sorte gewesen zu sein. Aber: Einen Kabarettisten verurteilen? Geht’s noch? Viel trauriger als die Tatsache der Verurteilung finde ich übrigens, wie wenig Beistand der Kabarettist nach dem Urteil fand. Anstelle einer kräftigen Medien Klatsche für Richter, die bar jeden Verständnisses für Satire sind, herrschte allgemeines Schweigen in den Blätterwäldern. Lache Bajazzo, auch wenn das Herz dir bricht.