ALTERNATIVE ABRECHNUNGSMODELLE wie Pauschalen oder Abonnements gelten als Antwort auf den Wunsch vieler Mandant:innen nach Transparenz und Planbarkeit. Doch wer glaubt, durch ein neues Abrechnungsmodell wirtschaftlich erfolgreicher zu werden, täuscht sich. Tatsächlich sind solche Modelle nur dann profitabel, wenn Kanzleien ihre internen Abläufe konsequent verschlanken. Doch viele wissen nicht, wo sie beginnen sollen.
Die Lean-Methode „Acht Arten der Verschwendung“ liefert dafür ein praxistaugliches Konzept, das auch unter dem Kürzel DOWN TIME (Defects, Overproduction, Waiting, Non-Utilized Talent, Transportation, Inventory, Motion, Extra-Processing) bekannt ist.
Jede dieser acht Kategorien zeigt, wo Kanzleien Geld verlieren, wenn sie alternative Abrechnungsmodelle anbieten. Während im Stundensatzmodell Ineffizienzen „belohnt“ werden, schmälern sie bei alter nativen Vergütungen den Gewinn.
1. Defects: Fehler kosten Zeit und Reputation. Jede Nacharbeit, vom vergessenen Fristtermin bis zur falschen Aktennummer, frisst Marge. Standardisierte Checklisten, klare Instruktionen und einheitliche Vorlagen sind die wirksamsten Mittel.
2. Overproduction: Mehr zu liefern, als Mandant:in nen brauchen, ist verschenkte Energie. Wer für den „Worst Case“ endlos recherchiert oder Schriftsätze überdimensioniert, produziert Kosten ohne Gegenwert. Klar definierte Leistungsumfänge schützen vor dieser Falle.
3. Waiting: Ob verspätetes Feedback von Man dant:innen oder interne Abstimmungsschleifen, Wartezeiten lähmen Projekte und senken Effizienz. Schlanke Kommunikationswege und verbindliche Fristen reduzieren Stillstand und halten Pauschalhonorare rentabel.
4. Non-Utilized Talent: Wenn Partner Aufgaben erledigen, die auch ein Associate oder Paralegal übernehmen könnte, entstehen unnötig hohe Kosten. Richtiges Staffing und die Nutzung von Automatisierungstools stellen sicher, dass jede Aufgabe von der passenden Ressource erledigt wird.
5. Transportation: Dokumente, die unnötig oft verschoben oder zwischen Abteilungen „herumgereicht“ werden, sind klassische Verschwendung. Digitale Workflows und klare Zuordnungen eliminieren überflüssige Transporte.
6. Inventory: Aktenberge auf Schreibtischen bedeuten ineffiziente Workflows und langsame Durchlaufzeiten. Priorisierung und aktive Steuerung helfen, Bestände zu reduzieren und Mandate schneller abzuwickeln.
7. Motion: Endlose Klicks in schlecht strukturierten Datenbanken oder das physische Einholen von Unterschriften verursachen Reibungsverluste. Eine intuitive User Experience der Kanzleisoftware, einheitliche Dateistrukturen und digitale Signaturen sparen wertvolle Zeit.
8. Extra-Processing: „Ferrari liefern, wenn die Mandant:in nur einen soliden Ford erwartet“ – das ist unnötiger Aufwand. Dreifache Korrekturen, aufwendige Grafiken oder überbesetzte Teams wirken zwar gründlich, sind aber betriebswirtschaftlich schädlich.
Fazit und internationaler Blick
Die eigentliche Frage lautet nicht: „Wollen wir Pau schalen anbieten?“, sondern: „Sind wir bereit, unsere Arbeitsweise radikal zu hinterfragen und zu verändern, um rentable Pauschalen anzubieten?“ Denn ohne Lean Thinking bleibt jede „Alternative Fee“ ein zum Scheitern verurteiltes Experiment, das Kanzlei en am Ende teuer zu stehen kommt. Dass dies kein theoretisches Konstrukt ist, zeigen Kanzleien in den USA und UK: So entwickelte Sey farth Shaw bereits vor über zehn Jahren mit „Sey farthLean“ ein auf Lean-Six-Sigma basierendes Konzept, das Effizienz und Pricing verbindet. Ein aktuelles Beispiel liefert Fennemore: Die US-Kanzlei koppelt alternative Abrechnungsmodelle konsequent mit künstlicher Intelligenz, misst konkrete Effizienzgewinne - etwa kürzere Durchlaufzeiten oder sinkende Fehlerraten– und knüpft daran die Vergütung. Diese Initiativen der Mitbewerber:innen zeigen: Erst wer Prozesse konsequent verschlankt, kann Pauschalen profitabel machen!
MAG. STEFANIE THUINER
fungiert derzeit als General Counsel
beim Logistik-Scale-up myflexbox und bietet im Rahmen der Legal Counsel Academy Weiterbildungsformate für Jurist:innen an.
Gemeinsam mit Katharina Bisset veranstaltet sie Workshops
zu alternativen Abrechnungsmodellen:
https://www.nerdsoflaw.com/noledge/#abrechnungsmodelle