INFLATION. Bei Preissteigerungen und anhaltend hoher Inflation ist Österreich Europameister. Ursachen dafür sind hohe Energiepreise, aber auch der „Österreich-Aufschlag“, den internationale Konzerne auf Lebensmittel kassieren, die nach Österreich geliefert werden. Die oberste Wettbewerbshüterin des Landes, Natalie Harsdorf, weist mit großer Beharrlichkeit auf die wesentlichen Treiber der Kosten für Konsumentinnen und Konsumenten hin.
Anwalt Aktuell: Am 9. August haben Sie gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister einen Brief an die EU-Wettbewerbskommissarin Ribera geschickt. Was steht da drin?
Natalie Harsdorf: Wir sind als Bundeswettbewerbsbehörde zum Thema „Österreich-Aufschläge“ schon seit Ende 2023 im Kontakt mit der Europäischen Kommission. Es geht in dem Brief darum, auch politisch nochmals zu deponieren, dass Österreich ein großes Interesse an der Verschärfung des rechtlichen Rahmens hat. Es gab auch bereits mehrere Gespräche, die wir auf europäischer Ebene geführt haben. Es ist jetzt wichtig, dass es dieses politische Commitment gibt.
Anwalt Aktuell: Welche Erwartungen hegen Sie nun in Richtung Europa? Wer muss was tun, da mit die „Österreich-Aufschläge“ beendet werden?
Natalie Harsdorf: Zum einen ist es wichtig, dass auf europäischer Ebene weiterhin Einzelverfahren geführt werden, so wie in der Sache Mondelez, wo es 2024 bereits eine Geldstrafe von 330 Millionen Euro gab. Große internationale Lebensmittelhersteller schaffen es nach wie vor, Druck auszuüben, dass der Einkaufspreis, der für Deutschland gemacht wird, nicht nach Österreich weitergegeben wird. Diese territorialen Lieferbeschränkungen können auf vielfältige Weise erwirkt werden. Das kann über Verknappung von Lieferungen oder über Etikettierung erfolgen, da gibt es eine Menge Möglichkeiten. Die angesprochenen Einzelverfahren brauchen allerdings Zeit. In der Europäischen Union wird ein Rechtsrahmen diskutiert, der breiter ist als das Wettbewerbsrecht. Das würde zu besseren Rechtsmitteln gegen die aktuellen Lieferbeschränkungen führen. Mir ist aber wichtig zu sagen, dass die territorialen Lieferbeschränkungen nur ein Element für die höheren Preise in Österreich sind. Es gibt leider nicht den einen Hebel, den ich umlege, und dann senken sich automatisch die Preise. Wir müssen in ernsthafter Weise an vielen Stellschrauben arbeiten.
Anwalt Aktuell: Ein weiterer Inflationstreiber sind die Preise in der Gastronomie...?
Natalie Harsdorf: Hier muss grundsätzlich gesagt werden, dass wir nicht für die Preiskontrolle, sondern für die Einhaltung des Wettbewerbs zuständig sind. Zum Themenbereich passt allerdings, dass wir seitens der BWB ein großes Verfahren gegen die Brau-Union laufen haben, in dem es um missbräuchliche Taktiken geht, die sich negativ auf den Markt auswirken.
Anwalt Aktuell: Nächstes Inflationsthema ist die Energie. Die BWB hat eindrucksvoll dokumentiert, wie Österreichs Energieversorger gesellschaftsrechtlich kreuz und quer verbandelt sind. Haben Sie Signale erhalten, dass im Sinne eines echten Wettbewerbs daran irgendwann et was geändert wird?
Natalie Harsdorf: Es gibt internationale Studien, die besagen, dass in Ländern, wo starke interne Verflechtungen der Anbieter bestehen, systematisch höhere Preis entstehen. Je nach Studie geht es hier um sieben bis neun Prozent. Es ist also klar, dass die gegenseitigen Beteiligungen in Österreich einen Einfluss auf die Preise haben. Eine Reduktion dieser Beteiligungen ist im Sinne des Wettbewerbs sicher ein sinnvoller Schritt. Wir schlagen vor, mithilfe der Fusionskontrolle genauer darauf zu schauen, ob es weitere Anteilsverschiebungen in den Energiemärkten gibt.
Anwalt Aktuell: Eine Ihrer Forderungen war, dass die Energieversorger im Sinne der Transparenz auf monatliche Abrechnungen umstellen sollen. Hat sich da etwas getan?
Natalie Harsdorf: Im derzeitigen Entwurf, der in Begutachtung ist, sehen wir keine Monatsrechnung. Hier ist aus unserer Sicht noch ein großer Verbesserungsbedarf. Wie beim Handytarif wäre eine Monatsabrechnung ein Mittel für mehr Transparenz. Das Argument der Energieversorger, dass es Monate mit verschiedenen Verbräuchen gebe, beantworten wir mit dem Vorschlag einer Opt-Out-Möglichkeit. Es soll jede Konsumentin, jeder Konsument zwischen monatlicher und jährlicher Abrechnung wählen können.
DR. NATALIE HARSDORF LL.M.
ist seit November 2023 Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Nach Studien in Wien, Dublin und Brügge promovierte sie im Zivilprozessrecht. Seit 2009 war ist sie in verschiedenen Funktionen in der BWB tätig. 2022 erhielt sie den Award „Juristin des Jahres“.