Investigativer Journalismus

GRUSS AUS IBIZA. Er hat wesentlichen Anteil daran, dass die österreichische Regierung im Mai 2019 explodierte. Gemeinsam mit investigativen Kollegen bereitete Bastian Obermayer bei der „Süddeutschen Zeitung“ die Ausstrahlung des „Ibiza Videos“ am 17. Mai vor. Ein Jahr davor, im April 2016, hatte er die „Panama Papers“ an die Öffentlichkeit gebracht. Der 1977 in Rosenheim geborene Journalist erhielt dafür den insgesamt dritten Pulitzer-Preis, der jemals nach Deutschland verliehen wurde.

 

DIETMAR DWORSCHAK
Herausgeber & Chefredakteur

Wenn in diesen Tagen die Wellen rund um die Aussageprotokolle von Thomas Schmid hoch gehen ist es lehrreich, auf frühere Skandale und deren vorläufigen Ausgang zurückzuschauen. Der renommierte deutsche Investigativ-Journalist Bastian Obermayer erinnert sich: „So, wie wir damals die österreichischen Verhältnisse eingeschätzt haben, dachten wir, die Regierung würde auch nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos unverändert im Amt bleiben.“ Wie die Geschichte zeigt, hat er sich da getäuscht. Gefragt, ob es in dem öffentlich kaum bekannten „Rest“ des Videos noch besonders interessante Passagen gab, sagt er: „Es schien sich immer wieder um die Frage zu drehen, wie kriegen wir die Kohle der Oligarchin, ohne uns rechtlich angreifbar zu machen?“

 

Strafverfolgung?

Obermayer wundert sich, dass das im Video immer wieder auftauchende Thema „Vereine“ von der österreichischen Justiz so lasch verfolgt wurde, zumal sich praktisch alle Parteien solcher Organisationen bedienen, um Geldflüsse zu steuern. Auch findet er es seltsam, wie zäh sich die Aufklärung von Straches Spesenabrechnungen gestaltet: „Die Staatsanwaltschaft Rosenheim könnte so was nebenbei machen“ sagt er mit einem Augenzwinkern. Kein Verständnis hat Obermayer auch an dem, was mit dem Organisator des Videos geschehen ist. Er kann nicht nachvollziehen, dass Julian Hessenthaler in einem Drogen-Prozess (St. Pölten) zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. „Man suchte nach einem Vorwand, ihm etwas anzuhängen, ist mein Eindruck“ sagt der Journalist. Mit dieser Meinung steht er nicht allein da. Angesehene österreichische Juristinnen und Juristen teilen sie. Die Justiz-Arbeit in Österreich beurteilt Obermayer insgesamt kritisch: „Es kommt mir vieles sehr langsam vor“.

BASTIAN OBERMAYER

Investigativ-Journalist www.papertrailmedia.de

Harte Bretter bohren

Investigativer Journalismus brauche zweierlei: Geld und Zeit. Eine in die Tiefe gehende journalistische Recherche könne nur mit stabilem finanziellem Hintergrund und ohne vorgegebene Zeitlimits erfolgreich sein. Die entsprechenden Rahmenbedingungen fand Bastian Obermayer im Laufe seiner vielfach ausgezeichneten Karriere ab 2005 bei der „Süddeutschen Zeitung“, wo er bereits als Redakteur des Magazins vielbeachtete Reportagen über Herztransplantation und Missbrauch im Kloster Ettal schrieb. 2014 deckte er Manipulationen rund um den ADAC-Preis „Gelber Engel“ und Missstände im deutschen Automobilclub auf. Gemeinsam mit Frederik Obermaier brachte er 2012 die „Offshore-Leaks“, die „Luxemburg-Leaks“ und die „Swiss-Leaks“ an die Öffentlichkeit. 2017 folgte der nächste Knaller: „die Paradise-Papers“. Im selben Jahr riefen Obermayer und sein französischer Kollege Laurent Richard (federführend) nach der Ermordung der maltesischen Investigativ-Journalistin Daphne Caruana Galizia das „Daphne Projekt“ ins Leben, um die Recherchen der Ermordeten fortzusetzen.

Von 2008 bis ins Jahr 2020 wurde Obermayer (meist mit Kollegen) für die Qualität seiner journalistischen Arbeit mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet: Theodor-Wolff-Preis, Henri-Nannen-Preis (dreimal), Helmut-Schmidt-Preis (zweimal), „Journalist des Jahres“, „Wirtschaftsjournalist des Jahres“, Pulitzer-Preis…. 2022 gründete er gemeinsam mit seinem langjährigen JournalistenPartner Frederik Obermaier die Recherche-Firma „Paper Trail Media“. Motto auf der Website: „Collaborative journalism can make a difference – and change the world for the better.“

 

Kompliment

Wie sieht Obermayer die Chancen für investigativen Journalismus in Österreich? Er erinnert sich, dass er rund um das „Ibiza“-Video verwundert war, wie zäh die Ausforschung der Hintermänner verlief. Da sei bei einigen Medien schon eine gewisse „Spezi-Mentalität“ zu spüren gewesen. Das habe sich aber positiv geändert. Mittlerweile konstatiert er eine Vielzahl außerordentlich guter Rechercheurinnen und Rechercheure in Österreich wie „Florian Klenk, Stefan Melichar, Michael Nikbash, Anna Thalhammer, Fabian Schmid usw.“ Für seine eigene internationale Recherche-Arbeit sieht er Themen ohne Ende. Neben der klassischen investigativen Tätigkeit plant er im Rahmen seiner Firma „Paper Trail Media“ für die nächsten Jahre die Produktion von Büchern und Videos. Lesestoff und TV-Überraschungen für Steuerhinterzieher, politische Gauner und Freunde der Korruption sind also garantiert.