Die Nachschärfer

 

 

 

 

 

 

GEPFEFFERTE ZEITEN. Je nach Temperament greifen sie zum Gewürzstreuer oder zur Klingenschleifmaschine. Ihr Ziel ist jedoch kein ausgewogener Geschmack oder ein besseres Taschenfeitl, ihre Zielrichtung sind die Gesetze. Dabei vergessen die Nachschärfer, von wem sie sich da treiben lassen.

Dietmar Dworschak                                                                                                                                                 

 

Ließe sich die Zeit zurückdrehen, könnte man versuchen, die von Jörg Haider in die Politik gebrachte Verrohung der Sprache wieder einzufangen. Jeden Tag erleben wir, dass dieser Zug schon längst abgefahren ist. Mittlerweile hat man sich mehr übel als wohl daran gewöhnt, dass speziell aus der rechten Ecke Unfassbarkeiten ohne Ende erklingen. Inklusive Wortschöpfungen wie „Remigration“. FPÖ-Vilimsky will dafür neuerdings einen eigenen

EU-Kommissar. Die Sprache ist also das Schlachtfeld der Politik. Leider auch in Sachen Gesetzgebung.

 

Kinder vor Gericht

Die Aussicht auf einen „Volkskanzler“ treibt weite Kreise der Politik in eine Richtung, die für den Rechtsstaat nicht unproblematisch ist. Um den potentiellen Wählern des Alpenfestungs-Propheten möglichst Wind aus den Segeln zu nehmen wird vorauseilend „nachgeschärft“. Kaum hat sich irgendwo ein statistisch unsichtbares Verbrechen ereignet, fährt die Politik mit Blaulicht los. Beispiel Straftat von Unmündigen: Ein Chor von Politikerinnen und Politiker, angeführt vom Bundeskanzler, verlangt die Herabsetzung der Strafmündigkeit unter 14 Jahre. Fragt man besonnene Juristinnen und Juristen, dann findet man keine einzige Stimme, die so etwas befürwortet. Vielmehr empfehlen alle, die sich mit der Sache auskennen, einmal genauer auf die Milieus und die Lebensbedingungen der Kindertäter hinzuschauen.

 

Reflexthema Femizide

Dass sich Österreich zum Spitzenreiter bei Frauenmorden entwickelt, führt zu einem ähnlichen Reflex: Rauf mit den Strafen! Auch hier sagen alle Fachleute, dass sich damit nicht das Geringste ändern lässt. Jene toxischen Beziehungen, aus denen die jeweilige Schreckenstat entsteht, lassen sich eben schwer bis ins Letzte kontrollieren. Und wenn der Mann dann zum Mörder wird hilft es auch nicht, dass er mit einer höheren Strafe als bisher rechnen muss. Wie bei der Kinderkriminalität geht es um die Bedingungen, die man sich genauer anschauen muss.

 

Kabarettnummer Autoraser

Manchmal beschleicht einen das Gefühl, der Staatsfeind Nummer eins sei auf der Autobahn zu finden. Zur Einhegung dieses Feindbildes wurde die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, den besonders Hurtigen das Fahrzeug abzunehmen und einer Versteigerung zum Nutzen des Staates zuzuführen. Als wir Ähnliches schon vor mehreren Jahren aus Italien hörten, führte das bei der nächsten Fahrt nach Jesolo zu einer bisher unbekannten defensiven Fahrweise. Bilder von Auktionen beschlagnahmter Fahrzeuge fanden nie den Weg von Italien nach Österreich. Und wie schaut’s bei uns aus? Obwohl seit Inkrafttreten der Abfassbestimmung schon glaubhaft einige Autos beschlagnahmt wurden haben praktisch alle Raser ihre Hobel wieder zurückbekommen.

So funktioniert also „nachgeschärfte Gesetzgebung“.

 

Lex Egisto

Und was wird jetzt mit der Spionage? Wieder einmal: Hyperventilation nach Anlassfall. Österreich erkennt plötzlich, dass sich seit dem „Dritten Mann“ buchstäblich nichts geändert hat und dass die Geheimdienste aller Welt am liebsten in Wien mauscheln. Die zahllosen losen österreichischen Freunde Russlands (inklusive FPÖ) hätten weiter in ungestörter Verbundenheit mit Putin weiterleben können, wäre da nicht Egisto, der nachrichtendienstliche Leichtfuß. Dadurch, dass er sein Treiben ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen zelebrierte, erzeugte er ein staatliches Problem. Und zwar mit sieben Jahren Verzug. „Jetzt ist es aber genug!“ Auf geht's gegen die Dunkelmänner in Trenchcoat und Sonnenbrille! Wir schärfen nach!

 

Den Medien auf die Finger schauen

Auch für die Medien hatte sich die ÖVP schon eine feine Nachschärfung ausgedacht. Per „Zitierverbot“ sollten endlich jene Sauereien unter der Decke bleiben, die seit mehreren Jahren die Republik erschüttern. Beschreibende Berichterstattung ja, wörtliches Zitieren aber nein! Damit wäre jedenfalls erreicht worden, die wahre Tiefe der Gaunereien zu verbergen. Denn die erkennt man erst in der konkreten Wortwahl („Du bist ja Familie“) und im Sound der Konversation. Momentan sind die Messer zu diesem Thema wieder in die Lade weggeräumt. Sollten sich ÖVP und FPÖ im Herbst zum dritten Tanz treffen stehen die Zeichen aber wieder gut, den Medien ein schärferes Messer anzusetzen.

In Hinblick auf solche Konstellationen muss befürchtet werden, dass jedenfalls bis zur Wahl die Schleifmaschinen und Gewürzstreuer auf Hochtouren eingesetzt werden. So banal kann ein Anlass gar nicht sein, dass man ihn nicht für die billige Deformation guter Gesetze instrumentalisiert

 

Billiger Funkenflug: Die nach kleinen Anlässen immer wieder geforderte Nachschärfung von Gesetzen

soll Tatkraft und Sorge um die Bürger demonstrieren. Meist ist sie jedoch nur populistisches Theater