„ Juristendeutsch“: Verständlichschreiben mit System

BESSER FORMULIEREN. Die „juristische Sprache“ ist eine mehr oder minder
anerkannte Fehlform der Verständigung. Bereits während des Studiums der Rechtswissenschaft wird man an Ausdrucksformen gewöhnt, die „keiner versteht“. Fortsetzung findet die berufseigene Sprachausbildung in den Lehrjahren für Juristinnen und Juristen aller Art. Ergebnis: Man versteht sich mit Mühe unter Kolleginnen und Kollegen, doch bereits Mandanten oder Kommunikationspartner bei Gericht haben Verständnisprobleme. Ein liechtensteinischer Anwalt will das ändern.

Mag. Dr. Daniel Damjanovic, LL.M. ist Rechtsanwalt und Notar in Vaduz sowie Lehrbeauftragter am Forschungszentrum Liechtensteinisches Recht der Universität Innsbruck und der Universität Liechtenstein. In seinem Buch „Juristische Textwerkstatt. Verständlich schreiben mit System“ wendet er sich an Leserinnen und Leser aus dem gesamten Rechtsbereich.
Ihm ist aufgefallen: „Wer juristisch arbeitet, muss vor allem eines; schreiben. Und zwar so, dass der Leser es versteht. Leider versteht der Nichtjurist, aber auch der juristisch gebildete Leser viele Gesetzestexte, Schriftsätze und Gerichtsentscheide nicht – denn sie sind unstrukturiert, aufgebläht und verschachtelt.“
Und weiter: Texte verstehen bedeutet, dass
a) die Gedanken des Schreibers
b) mittels Textes
c) im Kopf des Lesers ankommen.


Dies wird beispielsweise schwierig, wenn man Formulierungen wie diese wählt: „…bezugnehmend auf betreffszeilige streitverfangene Angelegenheit erlauben wir uns hiermit, Ihnen in der diesem Schreiben beigefügten Anlage den Vertrag vom (…) zu übermitteln…“ Dieses barocke Beamtendeutsch erfreut sich unter Juristen jedoch großer Beliebtheit, bis hin zu jenen, die Gesetze formulieren. Der Autor weist darauf hin, dass es seitens des VfGH die klare Aufforderung gibt, positives Recht verständlich zu formulieren: „Diesem Erfordernis entspricht weder eine Vorschrift, zu deren Sinnermittlung subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung sowie geradezu archivarischer Fleiß vonnöten sind, noch eine solche, zu deren Verständnis außerordentliche methodische Fähigkeiten und eine gewisse Lust zum Lösen von Denksport-Aufgaben erforderlich sind…“


Strenger methodischer Aufbau
Wer als angehende/r oder lernbereite/r Jurist/in sich tatsächlich auf den Weg der sprachlichen Läuterung begeben möchte, findet in dem Buch „Juristische Textwerkstatt“ diverse Werkzeugkisten vor, mit deren Hilfe strukturiert gute, verständliche Texte produziert werden können. Die gesamte Übung hat einen lässig-positiven Titel: EASY. E steht für Entwurf, A für Aufbau, S für Schreiben und Ü für Überarbeiten. Immer wieder dringt der Autor auf Textverständlichkeit und die Einhaltung von Sprachregeln. Um diese Vorschläge und Ermahnungen in konkrete Texte umzusetzen werden der Leserin/dem Leser zahlreiche Übungsbeispiele angeboten. Was „gestandene“ Juristinnen und Juristen besonders irritieren dürfte ist die Regel „Je kürzer desto besser! Weniger Silben pro Wort und weniger Worte pro Satz machen Texte besser lesbar.“


Genauer hinschauen, besser schreiben
Autor Damjanovic rät, sich Texte und eigene Schriftstücke immer wieder genauer anzusehen. Nur mithilfe wacher Analyse seien Formulierungen im Passiv oder per Floskel zu vermeiden. Auch soll genau auf die innere und äußere Ordnung von Texten geachtet werden. Geschwafel sei der Verständlichkeit Tod, wie hier zum Beispiel: „Nach der gänzlich unrichtigen und völlig unnachvollziehbaren Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, das in diesem Verfahren in zweiter Instanz entschieden hat, würde durch Vorlage manipulierter Tonbänder, die zweifelsohne in diesem Fall ein gefälschtes Beweismittel wären, nicht bedeuten, dass der Erstkläger bewusst rechtswidrig gehandelt habe oder gar, dass er an den Fälschungen bzw. Manipulationen der Tonbänder beteiligt sein gewesen wäre.“ Besser: „Das Berufungsgericht irrt. Denn es behauptet, der Erstkläger habe durch Vorlage manipulierter Tonbänder nicht rechtswidrig gehandelt. Auch – so das Berufungsgericht irrigerweise – sei damit nicht erwiesen, dass er Beweismittel gefälscht habe.“


Abenteuer Grammatik, Potential Sprache
Wer halbwegs strukturiert zu denken pflegt und ein bisschen Freude am Lernen und Verbessern seiner sprachlichen Kompetenz hat, dem ist dieses 200-Seiten-Buch wärmstens zu empfehlen. Übersichtliche Kapitel, anwenderbezogene Beispiele und ein flotter, motivierender Ton prägen das Lese-Erlebnis. Pflichtlektüre für alle Juristinnen und Juristen, die künftig besser verstanden werden wollen.

 

Daniel Damjanovic
Juristische Textwerkstatt Verständlich Schreiben mit System