Die Stimme der Frau in der Anwaltschaft

Die Rechtsanwältin, ein attraktiver Beruf oder eine Durchreisestation am Legal Karriereweg?

Im Mai 2022 hat die Academy of European Law (ERA) gemeinsam mit Vertretern der unterschiedlichsten Rechtsberufe das EU Forum of the Legal Professions ins Leben gerufen, eine Initiative, die die neuesten Trends, aber auch Herausforderungen in den unterschiedlichen Rechtsberufen in Europa diskutieren will.

Die erste Konferenz findet am 2. Dezember 2022 statt und beschäftigt sich mit dem klingenden Thema der Attraktivität der Rechtsberufe bzw. deren zunehmend geringere Attraktivität. An dieser Diskussion nehmen Organisationen, wie der Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE), die Association of European Judges (EAJ), die Association of European Administrative Judges, das European Network of Councils for the Judiciary (ENCJ), die Europäische Union der Rechtspfleger (E.U.R.), die European Union of Judicial Officers (UEHJ), ACA Europe, and das Network of Presidents of the Supreme Courts teil. Und natürlich soll dabei auch das Thema Diversität und im engeren Sinn Gender Imbalances in den Rechtsberufen nicht zu kurz kommen.

 

Laut dem deutschen Soldan Institut schrumpft die Anwaltschaft in Deutschland, sie ist weiblicher und orientiert sich häufiger als frühere Generationen von Juristen für eine Karriere fernab von Gerichtssaal und Kanzlei, https://soldaninstitut.de/wp-content/uploads/2021/01/Anwbl_202002.pdf. Ulrike Schultz von der deutschen FernUniversität in Hagen zieht für 2022 und dem Frauenanteil von rund 35 % am deutschen Anwaltsmarkt (in Österreich 23%) das Resümee, dass sich in den letzten Jahrzehnten, insbesondere in den letzten dreißig Jahren viel getan habe. „Frauen seien ein unverzichtbares Potential auf dem juristischen Arbeitsmarkt geworden und der viel zitierte Fachkräftemangel wird auf Jahre die günstige Situation aufrechterhalten. Also habe die engagierte Gleichstellungspolitik, die Ende der 1980er Jahre (übrigens auch in Österreich) einsetzte, Wirkung gezeigt. Aber die Einkommensunterschiede zwischen deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten seien bei gleicher Arbeitsleistung immer noch sehr hoch.“

 

Spricht man von der Attraktivität eines Berufes drängt sich einem unwillkürlich die Frage nach dessen Anforderungsprofil auf. Das Rechtsstudium und die Praxis in der Anwaltskanzlei oder bei Gericht sind dabei die grundlegende Basis. Die Dauer der Ausbildung wird dabei vom Auszubildenden in Österreich gerne als hinderlich empfunden, anstelle sich als Rechtsanwaltsanwärter:in vor Augen zu halten, dass ein längerfristig „Üben“ ohne eigenes Haftungsrisiko unter den Augen des Risikoträgers, der ausbildenden Anwält:in ein entscheidender Vorteil ist. Denn mehr einschlägige Berufserfahrung macht die Anwält:in für den Markt attraktiv. Die nicht zu unterschätzenden soft skills auf persönlicher Ebene, im Umgang mit Kolleg:innen und Klient:innen, Vertragspartner:innen oder vor Ämtern und Behörden bestimmen letztendlich, ob es ein erfüllender und damit auf Dauer angelegter Beruf ist, oder eine Durchgangsstation am Karriereweg. Genau diese soft skills entscheiden aber auch darüber, ob der Beruf von einem selbst als attraktiv empfunden wird. Fangen wir beim legal thinking an: wer es liebt, gut zuzuhören und das Gehörte oder auch Geschriebene rechtlich zu katalogisieren, wird auch erfolgreich in der Recherche sein, denn dann liegen die richtigen Suchschlagworte für die heute unerlässlichen, einschlägigen digitalen Suchmaschinen auf der Hand. Zum legal thinking zählt aber auch die Kunst, die so rechtlich untersuchten Sachverhalte überzeugend zu argumentieren, nicht nur schriftlich, sondern auch persönlich und vor allem respektvoll im täglichen juristischen Schlagabtausch am Verhandlungstisch oder bei Gericht. Dabei helfen eine stete intellektuelle Neugier, die Liebe zum Detail, aber auch die Konzentration auf das Wesentliche und vor allem auch eine grundsätzlich positive Einstellung zum gewünschten Ergebnis, die auch angesichts größter Hindernisse erhalten bleibt. Dieses Quentchen an Berufsleidenschaft muss vorhanden sein, das einem Rückschläge wie einen verlorenen Rechtsfall, einen nicht geglückten Vertragsabschluss, kritische Stimmungslagen mit Vertragspartnern, Gegnern und Richtern vor Gericht zur Herausforderung aber nicht zur Niederlage macht. Dann ist der Anwaltsberuf attraktiv, gerade auch für uns Frauen in der Anwaltschaft, die wir für wichtige und für den Beruf notwendige soft skills eine gewisse Prädisposition im Umgang mit Stresssituationen und multiplen Herausforderungen aus dem familiären Umfeld mitbringen.

 

Also beginnen wir das Jahr 2023 diesmal nicht nur mit guten Vorsätzen, sondern mit einer genauen Analyse unserer soft skills für den Anwaltsberuf. Auch die Ergebnisse der Diskussion der ersten Konferenz des EU Forum of the Legal Professions im Dezember 2022 wird die Initiative Women in Law – Frauen im Recht www.womeninlaw.info in ihre weitere Arbeit aufnehmen und in die Konferenzthemen ihrer 4. Internationalen Konferenz vom 14. bis 16. September 2023 in Wien miteinbinden.