Freispruch – und trotzdem pleite?

Plädoyer für ein angemessenes Kostenersatzrecht

Wer einen Zivilprozess gewinnt, hat Anspruch auf Ersatz seiner Kosten. Dies ist im Strafprozess anders: Wer hier freigesprochen wird, der bleibt auf seinen Kosten sitzen. Das ist – wenn schon nicht verfassungswidrig, so zumindest – rechtsstaatlich ein Makel und nicht mehr zeitgemäß.

 

 

Grundsatz

Wer zu Unrecht in ein Gerichtsverfahren gezogen wird, der sollte – neben allen sonstigen Nachteilen, die ein solches Verfahren mit sich bringt – nicht auch noch die entstandenen Kosten tragen müssen.

 

Zivilverfahren

In Zivilverfahren bekennt sich der Staat zumindest dem Grunde nach zu diesem Prinzip: § 41 ZPO zufolge hat die obsiegende Partei einen Anspruch gegen die unterlegene Partei auf Ersatz der Kosten.

 

Die Höhe des Kostenersatzes richtet sich nach dem RATG. Nur wenn die dortigen Tarifansätze angemessen sind, wird die obsiegende Partei ausreichend entschädigt. Obwohl der Staat hier gar nicht selbst in die Tasche greifen muss, ist er nicht besonders spendabel: Zu einer Valorisierung der Tarifansätze konnte er sich zuletzt vor 7 Jahren entschließen. Bei einer Inflation von derzeit mehr als 10% würde eine zumindest jährliche Anpassung den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen besser gerecht – genau so verlangt es § 25 RATG eigentlich auch.

 

Solche Anpassungen haben im Übrigen nicht die Bereicherung der AnwältInnen zum Ziel: der Kostenersatz fließt nämlich nicht ihnen, sondern dem Mandanten zu. Er – nicht sein Anwalt/seine Anwältin – deckt damit seine Kosten.

 

Strafverfahren

Wenngleich der Kostenersatz in Zivilverfahren der Höhe nach etwas wackelig dasteht: vom Grundsatz her ist er richtig konzipiert.

 

In Strafverfahren kann davon keine Rede sein: Wer hier gewinnt, geht leer aus. Zwar sieht § 393a StPO einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung vor, doch sind die dort genannten Beträge nicht mehr als ein Trostpflaster: Abhängig von der Verfahrensart liegt der maximale Kostenbeitrag zwischen EUR 1.000 und EUR 10.000.

 

Dass diese Beträge den wahren Aufwand nicht einmal ansatzweise decken können, leuchtet unmittelbar ein. Man muss gar nicht erst an überlange Verfahren wie das BUWOG-Verfahren mit über 150 Verhandlungstagen denken: Schon Verfahren mit bloß einigen Verhandlungstagen sind mit einem Aufwand von wenigen tausend Euro nicht adäquat zu bewältigen.

 

Der Blick auf die Dauer der Hauptverhandlung alleine ist im Übrigen verkürzt: Vor jedem gerichtlichen Hauptverfahren liegt ein Ermittlungsverfahren. Ein solches dauert in Wirtschaftsstrafsachen zwischen einigen Monaten und 10 bis 20 Jahren. An die Kosten dieses Verfahrensabschnittes hat der Gesetzgeber überhaupt nicht gedacht: § 393a StPO greift erst im Falle eines Hauptverfahrens. Wird ein Ermittlungsverfahren eingestellt, so gibt es dafür überhaupt keine Kostenbeitragsregelung.

 

Strafanspruch des Staates

Strafverfahren liegen nun aber primär im Interesse des Staates bzw. der Allgemeinheit, nicht des Beschuldigten. Sie kostenmäßig am Rücken von (zu Unrecht) Beschuldigten auszutragen, mag dem Obrigkeitsdenken früherer Jahrhunderte entsprechen. Zeitgemäß ist dies nach den derzeitigen rechtsstaatlichen Kriterien nicht mehr.

 

Versuche, dies durch Anrufung des VfGH zu korrigieren, sind vor einigen Jahren überraschenderweise noch gescheitert. Das mag sich vielleicht irgendwann ändern, aber der VfGH könnte ja nur mangelhafte Regelungen aufheben, nicht aber die überfällige Neuregelung erzeugen (die im Übrigen mit einigen anderen Aspekten des Strafprozesses fein austariert werden muss). Besser wäre daher, der Gesetzgeber würde tätig werden. Im Grunde hat er ja schon anerkannt, dass ein Kostenersatz geboten ist, sonst gäbe es nicht einmal den jetzigen § 393a StPO. Ein upgrade dieser Regelung auf einen zeitgemäßen Standard wäre wünschenswert.