Schluss mit politischen Postenbesetzungen

VERWALTUNGSGERICHTE. Die geplante 2. Dienstrechtsnovelle 2022 soll die „objektive und transparente Besetzung richterlicher Planstellen auch in Spitzenfunktionen zur Stärkung des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger in eine objektive, unabhängige und unbeeinflusste Rechtsprechung“ bringen. Zweifel daran äußert der Dachverband der Verwaltungsrichter (DVVR), nicht zuletzt mit Hinblick auf die Postenbesetzungs-Sideletters der schwarz-grünen Bundesregierung.

Seit Mai 2022 gibt es den „Dachverband der Verwaltungsrichter“ (DVVR), dem Dr. Markus Thoma vorsteht. Thoma, geboren in Linz und seit 2001 Richter am Verwaltungsgerichtshof (Senatsvorsitzender Dienst- und Abgabenrecht), sieht die zentrale Aufgabe seiner Standesvertretung in der „Verbesserung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, und zwar durch Stellungnahmen zu aktuellen Gesetzesvorhaben, insbesondere zur Besetzung von Spitzenpositionen.“ Da Hofrat Thoma auch Vizepräsident der Richtervereinigung ist, hat seine Kritik besonderes Gewicht. Konkret geht es darum, dass „nicht nur drei, sondern zwei Dutzend Leitungsstellen (PräsidentInnen und VizepräsidentInnen der elf Verwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofes) ohne Einholung von Vorschlägen richterlicher Personalsenate besetzt werden.“

 

Fehlende europäische Standards

Dachverbandssprecher Thoma weiß sich mit seinen Bedenken in bester Gesellschaft. Immerhin hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Zusammenhang mit der Ernennung von Richterinnen und Richtern bereits mehrfach betont, dass die materiellen Voraussetzungen für die Ernennungsentscheidung so beschaffen sein müssten, dass sie bei den davon mittel- oder unmittelbar Betroffenen keine berechtigten Zweifel an der Neutralität und Unempfänglichkeit ernannter Richterinnen und Richter für äußere Faktoren aufkommen lassen.

Dr. Thoma: „Demgemäß beurteilt der EGMR die Ernennung von Richterinnen und Richtern durch ein Organ der Exekutive nur dann als mit den Rechtsstaatsgrundsätzen der Europäischen Union vereinbar, wenn im Ernennungsverfahren die Stellungnahme eines von der Politik unabhängigen Gremiums eingeholt wird.“

Thoma verweist auch darauf, dass die beim Europarat eingerichtete Group of States Against Corruption (GRECO) in ihrem zweiten vorläufigen Umsetzungsbericht monierte, dass in Österreich die richterliche Mitwirkung am Auswahl- und Ernennungsverfahren von Richterinnen und Richtern nicht flächendeckend umgesetzt sei.

 

Auch EU-Kommission besorgt

Der Vorsitzende des Dachverbandes der Verwaltungsrichter weist auch auf den jährlichen Staatenprüfungsbericht der Europäischen Kommission hin, der ausdrücklich empfiehlt, „der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, die Justiz an den Ernennungen des Präsidenten und Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs sowie der Präsidenten und Vizepräsidenten von Verwaltungsgerichten zu beteiligen, und dabei europäische Standards für die Ernennung von Richtern und die Auswahl von Gerichtspräsidenten zu berücksichtigen.“

 

„Sideletters“

Die nach und nach bekannt gewordenen „Sideletters“ über Absprachen zur Besetzung wichtiger Posten lassen befürchten, dass die hier geforderte Transparenz und Mitsprache bei anstehenden wichtigen Entscheidungen nicht gegeben ist. Die entsprechenden Auswahlkommissionen haben für Dr. Markus Thoma den Makel, dass die gewählten Vertreter der Richter dort derzeit fast keine Rolle spielt. Seine Vorstellung für eine Mitwirkung, die ihren Namen verdient, orientiert sich an europäischen Vorbildern: „mindestens Parität, in einigen Fällen auch 60 Prozent“. Davon sei man in Österreich noch weit entfernt.