"Ich glaube, dass nur der freie Beruf echte Freiheit gibt"

DER RECHTSPHILOSOPH. Er hat an der philosophischen und an der juristischen Fakultät studiert, Theater gespielt, mehrere Jahrzehnte als Anwalt gearbeitet und baut jetzt noch ein „Kanzleihaus“. Wie Luciano Benetton, dem er sehr ähnelt, passt Rechtsanwalt DDr. Gerald Fürst in keine Schablone.

Interview: Dietmar Dworschak

ANWALT AKTUELL: Sie haben sowohl Ihr Studium der Philosophie wie auch jenes der Rechtswissenschaften mit Doktorat abgeschlossen. Wie verhalten sich diese zwei Seelen in Ihrer Brust, wie bringt man beides unter einen Hut?

 

Gerald Fürst: Ganz schwer. In einem Schubert-Lied gibt es den Text „Im Geisterhauch schallt es zurück… wo du nicht bist, dort ist das Glück.“ Man glaubt immer, dass es dort, wo man gerade ist, nicht gut ist. Ich habe immer zwischen den beiden Wissenschaften geswitcht.

 

ANWALT AKTUELL: „Ethos“ ist für Sie ein wichtiger Begriff, das liest man bereits auf Ihrer Website. Gibt es damit Berührungsprobleme zum eher harten Bereich der Anwaltei?

 

Gerald Fürst: Es ist ja seltsam, dass wir Rechtsanwälte nicht nur an das Recht, das für alle gültig ist, gebunden sind, sondern dass über das Berufsrecht und die Disziplinaraufsicht immer noch was anderes dazukommt. Das hat für mich mit Moral und Berufsethos zu tun. Das ist mehr als die aus dem Englischen bekannten „professional ethics“. Ich sehe es eher in einer abendländischen Tradition der Verantwortung, die man für einen Menschen als Mensch auch dann übernimmt, wenn er Klient ist.

Ich glaube, dass der Rechtsanwalt nicht nur die Aufgabe hat, das Problem und seine Lösung zu sehen, sondern auch das Feld, in dem das Problem entstanden ist. Nur aus dieser Perspektive kann er dem Klienten mehr bieten als die schlichte rechtliche Lösung.

 

ANWALT AKTUELL: „Moral“ ist also eine Dimension Ihrer Arbeit?

 

Gerald Fürst: Wenn Sie das so fragen fällt mir ein, dass mein Dissertationsthema an der philosophischen Fakultät ein theologisches war. Es lautete „Theologie der Kommunikation“ und war ein bisschen die Suche nach den Wurzeln dessen, was heute unter Kommunikation verstanden wird, und vor einem Jahrhundert noch „Dialogphilosophie“ genannt wurde. Martin Buber hat gesagt: „Das Ich wird am Du zum Ich“, erst in der Kommunikation wird der Mensch wirklich zum Menschen.

Und da kommen „Ethos“ und „Moral“ ins Spiel. Mich hat Disziplinarrecht immer schon sehr in­teressiert, seine Grenzen und auch deren Erweiterung. Das ist übrigens ein Thema, das alle Freiberufler haben.

 

ANWALT AKTUELL: Sie haben jetzt durchaus schwärmerisch vom Publizistikstudium gesprochen. Wie war das damals eigentlich? Immerhin gab es zu Ihrer Studienzeit bereits in der Familie eine Anwaltskanzlei, die mittlerweile über 100 Jahre alt ist. Hat Sie da niemand an die richtige Fakultät erinnert?

 

Gerald Fürst: Ich habe mich lange gewehrt, in diesen doch sehr bürgerlichen Beruf hineingezogen zu werden. Ich habe auch nach Abschluss meines Studiums noch drei Jahre Reinhardt-Seminar angehängt und auch in Deutschland am Theater gearbeitet. Ich war immer einer, der gerne über den Zaun geschaut hat.

Weil ich immer etwas anderes sehen wollte, war es für mich nicht schwer, mich auch gegen starke familiäre Interessen durchzusetzen. Meine Tante, die die Kanzlei betrieben hat, konnte mich letztendlich doch für den Anwaltsberuf begeistern. Aus dem inzwischen gebührenden Abstand sehe ich, dass es nicht nur wirtschaftlich, sondern auch inhaltlich die richtige Entscheidung war.

Bis heute beschäftigt mich auch als Anwalt die Frage: Sind die Regeln der Gesellschaft nur ein Joch, unter das man sich beugen muss, oder sind es vielleicht sogar, wie bei einem Gesellschaftsspiel, Möglichkeiten, sich in neue Bereiche zu begeben, auf der Suche vielleicht sogar nach Glück oder Zufriedenheit?

Ich glaube, dass der Anwaltsberuf mit seiner Selbstständigkeit, mit seiner Unabhängigkeit und seinem freiberuflichen Charakter wie kaum ein anderer echte Freiheit gibt.

 

ANWALT AKTUELL: Es gibt dann noch eine dritte Dimension Ihrer Persönlichkeit – und zwar das Bauen, das Gestalten von Schönem… Wie kam es zur Idee „Kanzleihaus“?

 

Gerald Fürst: Ich vermute, das kommt von der Theaterschule. Wir hatten dort auch das Fach Bühnenbild, und ein krokodilartiger alter Professor hat uns Räume und Licht aus einer großen Erfahrung und mit starker Motivation vermittelt. Räume zu erkennen, zu gestalten und schön zu machen ist für mich sowohl im Theater als auch im gewöhnlichen Leben ein großes Bedürfnis. Ich habe gelernt, abseits von wirtschaftlichem Druck etwas Schönes zu gestalten. Beim Kanzleihaus ist meine Grundidee, dass man jene Zeit, in der man arbeitet, in schönen Räumen verbringen sollte. Das macht produktiver und glücklicher.

 

ANWALT AKTUELL: Ihr Kanzleihaus ist ein sehr schönes altes Gebäude in Perchtoldsdorf, das Sie mit großem Aufwand und viel Liebe zum Detail renoviert haben. Wer soll dort nun einziehen?

 

Gerald Fürst: Am liebsten möglichst unterschiedliche Persönlichkeiten und Berufe. Ich wünsche mir, dass es nicht nur Juristen sind, ich wünsche mir auch Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder und ganz besonders schiele ich in Richtung der Ziviltechniker.

Diese Kombination ist sicher nicht ganz leicht, weil wir uns in Buchstaben bewegen und die Techniker eher in Zahlen. Was jedenfalls verbindet: alle diese Gruppen schauen über den Gartenzaun. Dazu kommt, dass wir als Freiberufler Beratung in Unabhängigkeit anbieten.

Je bunter die Truppe ist, umso schöner würde ich es finden. Wir stehen zwar in der finalen Phase des Projekts, bieten den Interessenten aber noch die Möglichkeit, bei einigen wichtigen Themen mitzureden. Jede und jeder, der dabei ist, kann das Gemeinsame am Kanzleihaus noch mitgestalten.

 

Herr Dr. Fürst, danke für das Gespräch.